Die Praxis zeigt uns Erfolge, die eine bedeutende Steige-
rung der Lebensqualität nach sich ziehen. PatientInnen
erleben direkt nach der Vojta-Therapie eine Erleichterung
des Bewegungsverhaltens im Alltag. Zusätzlich treten
häufig Besserungen auf, die in der klassischen Physio-
therapie nicht primär erwartet werden. Beispielsweise
berichtet ein hochzervikal gelähmter Tetraplegiker vom
besseren Ein- und Durchschlafen. Ein anderer Patient
erzählt von regelmäßigem Stuhlgang. Bei einer zerebral-
paretischen Patientin verringert sich das belastende Stot-
tern in Stresssituationen seit sie Vojta-Therapie erhält.
Diese »Nebenwirkungen« sind für durchaus auch skepti-
sche PatientInnen erstaunlich, und fallen nicht primär in
die Zielsetzungskategorie für PatientInnen und Therapeu-
tInnen. In der ausführlichen Befunderhebung werden
vor allem funktionelle Fähigkeiten (Lagewechsel, Stütz-
aktivität, Gehen, etc.) beschrieben und dokumentiert.
Abweichungen von der Symmetrie bzw. einer idealen
Streckung der Wirbelsäule erhalten besonderes Augen-
merk, und werden im direkten Wiederbefund analysiert.
Letztlich sind alle funktionellen Defizite auf mangelnde
Stabilität und physiologische Extension in Teilen der
Wirbelsäule zurückführbar und somit für die Therapie von
ganz besonderer Wichtigkeit.
Die inadäquate Aufrichtung der Wirbelsäule und des Be-
ckens ist ein zentrales Defizit bei akuten und chronischen
Querschnittgelähmten. Ein eingeschränkter Aktionsra-
dius der Extremitäten und vermindertes Gleichgewicht in
allen Lagen sind die direkten Folgen. Vor allem bei chro-
nischen QuerschnittpatientInnen, die auf das Hilfsmittel
Rollstuhl angewiesen sind, ist die sekundäre Skoliose ein
großes Problem, das negativen Einfluss auf Sitzposition,
Hautbelastung, Atmung, Verdauung aber auch Alltags-
aktivitäten hat.
Durch die unbewusste Aktivierung können vor allem
diese Fehlhaltungen der Wirbelsäule, die nur sehr schwer
bewusst wahrgenommen werden, positiv beeinflusst und
korrigiert werden. Mit der Vojta-Therapie haben wir eine
optimale Behandlungsmöglichkeit für PatientInnen mit
sensiblen und motorischen Einschränkungen unter-
schiedlichen Grades. Über die veränderte posturale Sta-
bilität wiederum sind QuerschnittpatientInnen wesentlich
besser in der Lage ihren Alltag zu bewältigen. Sitzposi-
tion, Lagewechsel und Transfers, sowie die Fortbewe-
gung im Rollstuhl werden durch die Vojta- Behandlung
sekundär optimiert.
Die Körpergebiete distal der Läsionshöhe werden beim
kompletten sowie auch beim inkompletten Querschnitt
durch Vojta- Therapie beeinflusst.
Inkomplette, gehende Querschnittgelähmte verfügen nicht
über die notwendigen ventralen und dorsalen Muskelketten
um ein physiologisches Gangbild gewährleisten zu können.
Mit Vojta-Therapie werden genau diese funktionellen Mus-
kelschleifen in Basismustern (Reflexkriechen und Reflexum-
drehen) aktiviert und Ausweichbewegungen somit auf ein
Minimum reduziert. PatientInnen berichten von Schmerz-
minderung (durch Reduktion von Kompensationsstrategien)
und subjektiver Erleichterung beim Gehen in Bezug auf
Ausdauer und Gangsicherheit.
Das Vorhandensein von Spastik kann für alle Querschnitt-
patienInnten, unabhängig vom Ausmaß der Läsion, zur
vorherrschenden Belastung werden. Dabei bietet die Be-
handlung nach Vojta als Tonus regulierende Therapie eine
Alternative zur Einnahme von Medikamenten oder invasiven
Behandlungen. Die Testung von Spastik und das Feedback
von PatientInnen zeigen uns, dass Vojta-Therapie zumindest
auf spinaler Ebene trotz Querschnittlähmung auch distal
der Läsionshöhe Einfluss nehmen kann.
Mit Hilfe der Vojta-Therapie, als neurophysiologische
Behandlungsmethode, haben wir die Möglichkeit direkt auf
die verletzte Struktur – das ZNS – Einfluss zu nehmen.
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physio
austria
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September 2013
Themenschwerpunkt
Neurorehabilitation
© RZ Weißer Hof
Vor Beginn der Vojta-
Therapie (klein) und
nach Abschluss der
Therapie (groß)