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physio
austria
inform
September 2013
Themenschwerpunkt
Neurorehabilitation
Die meisten Menschen verbinden Hippothe-
rapie mit der Therapie von Kindern mit
Cerebralparesen; sie kann aber auch bei
PatientInnen mit Multipler Sklerose, Hemi-
parese nach Insult, Querschnittlähmung,
spinaler Muskelatrophie, Neuropathien
u.v.m. hervorragende Ergebnisse erzielen.
Leider wird dies von den Krankenkassen
kaum anerkannt.
So kann man z.B. bei PatientInnen nach
Apoplexie relativ rasch deutliche Verbesse-
rungen des Gleichgewichtes und der Sym-
metrie beobachten und die Spastik bzw.
Hypertonie in den hemiparetischen Extre-
mitäten lässt sich erheblich reduzieren.
PatientInnen mit Multipler Sklerose berich-
ten häufig, sich auf dem Pferd zu fühlen,
»als würden sie schweben« und sie bemer-
ken deutliche Verbesserungen beim Gehen
sowohl in Bezug auf den Bewegungsablauf,
als auch beim Halten des Gleichgewichts.
Diese Wirkung hält bei einigen PatientInnen
nach regelmäßiger wöchentlicher Therapie
auch in Therapiepausen über 4-6 Wochen
an, spätestens dann sollte die Therapie fort-
gesetzt werden. Beim schubhaften Verlauf
der Krankheit kann zwischen den Schüben
mit Hilfe von Hippotherapie ein größtmög-
liches Bewegungs- und Koordinations-
Ausmaß zurückgewonnen werden.
Bei PatientInnen mit Neuropathien, spinaler
Muskelatrophie und dgl. kann durch Hippo-
therapie eine Verlangsamung der Auswirkun-
gen des degenerativen Prozesses erreicht
werden. Die Erfahrung zeigt, dass Gangfähig-
keit Rumpfaufrichtung- und Stabilität länger
erhalten bleiben können (Bild 2 und 3).
Für PatientInnen mit Paraplegie gibt es im
deutschen Westfalen ein Zentrum unter der
Leitung von Dr. med S. Fieger, das sich auf
die Behandlung dieser PatientInnen mit Hilfe
von Pferden spezialisiert hat. Hier wird nicht
nur Hippotherapie angeboten, sondern die
PatientInnen können danach auch ins sport-
lich therapeutische Reiten einsteigen. Dies
ermöglicht ihnen einen Sport, den sie ge-
meinsam mit nicht behinderten Menschen
durchführen können!
Ein sehr aktuelles und herausragendes Beispiel für die
Rehabilitation von PatientInnen mit Querschnittlähmung
ist der österreichische Goldmedaillengewinner der Parao-
lympischen Spiele von London 2012 Pepo Puch. Er war ein
international erfolgreicher Vielseitigkeitsreiter, als er vor
viereinhalb Jahren eine Fraktur im Bereich C3/4 erlitt.
Einige Zeit war er vollständig gelähmt und arbeitete sich
laut eigenen Aussagen vor allem mit Hilfe der Hippothera-
pie (auf eigenem Pferd) wieder zurück ins normale Leben.
Nach 3 Monaten täglicher Hippotherapie begann er lang-
sam mit dem sportlich therapeutischen Reiten. Inzwi-
schen ist er wieder mit nur 1 Stock gut gehfähig! Er selbst
sagt, dass er vor allem die Spastik in den Beinen und
Armen und die Koordination der Bewegungen nur mit
regelmäßigem Reiten beherrschen kann und dass er ohne
Pferd sicherlich rasch wieder im Rollstuhl landen würde.
In Österreich wird die Hippotherapie vorwiegend ambu-
lant durchgeführt; in Rehabilitationszentren täglich Hippo-
therapie zu erhalten, ist leider noch nicht möglich. Aber
auch die wöchentlichen Einheiten zeigen sehr gute Resul-
tate und sind für die Rehabilitation neurologisch erkrank-
ter PatientInnen in ihrer Wirkung durch keine andere
Therapie ersetzbar. Sie helfen ihnen, Funktionen zurück zu
erlangen oder zu erhalten, oft dadurch länger selbständig
zu bleiben oder in Teilbereichen wieder selbständig zu
werden. Auch wirkt sich die Hippotherapie äußerst positiv
auf die Psyche aus. Eine Erstattung der Kosten dieser
Therapieform in ganz Österreich durch die Krankenkassen
wäre gerade im Sinne der Rehabilitation und zur Erhaltung
erreichter Selbstständigkeit dringend notwendig.
© Thesy Feichtinger-Zrost, MSc
Haltung zu Therapie-
beginn (klein) und
nach 20 Miunten
Hippotherapie (groß).