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physio
austria
inform
Februar 2014
Woitha et al. stellen in ihrer systematischen Literatur-
analyse über Entwicklung und Einsatz der Physiotherapie
in der Palliativversorgung fest, dass bezogen auf die
PatientInnenrolle im Therapieprozess zwischen primär
passiven und primär aktiven Therapieansätzen unter-
schieden werden kann. Zu den primär passiven Ansätzen
zählen klassische Methoden aus der physikalischen
Medizin wie Massage, Elektrotherapie oder auch Maß-
nahmen aus der Balneologie. Diese finden sich in Publi-
kationen über den gesamten betrachteten Zeitraum von
45 Jahren. Arbeiten jüngeren Datums setzen sich häufi-
ger mit vermehrt aktivierenden Therapieansätzen aus-
einander wie z.B. Bewegungstherapie sowie Ausdauer-
und Krafttraining. Zunehmend finden sich auch Studien,
die sich mit aktivierenden Therapieansätzen aus der
Komplementärmedizin befassen. Es stellt sich die Frage,
ob auch dieser Zugang eine Domäne der Physiotherapie
ist bzw. sein soll.
Im Folgenden wird auf drei ausgewählte Maßnahmen der
physikalischen Medizin eingegangen, die in der Palliative
Care häufig und mit Erfolg Anwendung finden und durch-
aus auch im »Repertoire der PhysiotherapeutInnen«
enthalten sein sollten und nicht nur ins Aufgabengebiet
medizinischer Assistenzberufe fallen.
Massage
Es gibt zahlreiche Studien die sich mit der Wirkungs-
weise von unterschiedlichen Massagetechniken auch im
Bereich der Palliativmedizin/Palliative Care auseinander-
setzen. Die häufigsten Symptome, die mit Hilfe von
Massage beeinflusst und gelindert werden können, sind
Schmerz und Angst. Zusätzlich tragen Entspannung, die
durch Massage erzielt werden kann, eine Minderung von
Müdigkeit und Übelkeit sowie ein besserer Schlaf als
Folge dieser passiven Maßnahme zur Verbesserung
der Lebensqualität der PalliativpatientInnen bei.
Besonderer Stellenwert in der Behandlung von Palliativ-
patientInnen kommt der Colonmassage zu, da diese in
Bezug auf eine häufig auftretende Obstipation hilfreich
eingesetzt werden kann. Dehydration, Bewegungsmangel
und der Einsatz von Opiaten liegen als Ursache zugrunde
»Linderung, Rehabilitation und Partizipation sind zentrale Eckpunkte in
der Palliative Care und auch in der Physiotherapie« ist auf der Rückseite
des 2013 erschienen Buches »Was wir noch tun können: Rehabilitation
am Lebensende Physiotherapie in der Palliative Care« zu lesen.
Doch mit welchen Methoden stellen wir uns der Herausforderung?
Sind Maßnahmen der physikalischen Therapie wirklich noch zeitgemäße
Aufgaben der Physiotherapie in diesem Kontext?
Physikalische Therapie
in der Palliativmedizin
Rehabilitation am Lebensende und passive Maßnahmen –
ein Widerspruch?
und Laxantien werden routinemäßig verordnet. Dennoch
geben die PatientInnen häufig schmerzhafte Bauchbe-
schwerden und weiterhin Verstopfung an. Lämas et al
konnten 2009 in ihrer Studie nachweisen, dass die
Colonmassage, parallel zu der Verabreichung von
Laxantien durchgeführt, deren Wirkung verstärkt und das
Symptom Bauchschmerz deutlich verringert. Dies kann
durch Erfahrungen aus der täglichen Praxis bestätigt
werden. Neben der Schmerzlinderung, die mittels VAS
oder NRS überprüft werden kann, ist häufig auch eine
deutliche Reduktion des Muskeltonus und eine Minde-
rung der erhöhten Atemfrequenz während und nach der
Behandlung zu beobachten.
TENS (transcutane elektrische Nervenstimulation)
Diese Form der Elektrotherapie ist in der Schmerz-
behandlung von PalliativpatientInnen inzwischen inter-
national etabliert, obwohl die Wirksamkeit bei Tumor-
schmerz noch kontrovers diskutiert wird. Die Rück-
meldung der PatientInnen ist jedoch größtenteils positiv.
Dies lässt sich einerseits dadurch erklären, dass nicht
nur der Tumorschmerz selbst, sondern auch andere
Schmerzzustände, die durch Arthrosen oder Weichteil-
schäden hervorgerufen wurden, behandelt werden und
die TENS eine Erfolg versprechende Option zur Reduk-
tion von neuropathischen Schmerzen darstellt. In
Kombination mit anderen Therapieformen wie z.B. der
Entspannungstherapie kann die Effizienz beider Metho-
den gesteigert werden. Auch die gezielte Anlage über
Akupunkturpunkte kann die Wirkung zusätzlich erhöhen.
Die Anwendung ist einfach und kann von dem Patienten
bzw. der Patientin oder deren Angehörigen nach Einwei-
sung durch die PhysiotherapeutIn ohne Hilfestellung
durch therapeutisches oder pflegerisches Personal
durchgeführt werden. Ein weiterer positiver Faktor sind
sicher auch die geringen Kosten, die anfallen. Speziell
in Entwicklungsländern, wo der Zugang zu adäquater
Schmerzmedikation oft vielen PatientInnen verwehrt
bleibt, stellt die TENS eine mögliche Alternative bzw.
Ergänzung zu reduzierter medikamentöser Therapie dar,
wie Tashani und Johnson in ihrer Arbeit »Transcutaneous
Electrical Nerve Stimulation (TENS) A Possible Aid for
Pain Relief in Developing Countries?« erläutern.
Themenschwerpunkt
Physikalische Therapie