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physio
austria
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Februar 2014
Sind die vorgestellten Maßnahmen der
physikalischen Medizin nun tatsächlich noch
zeitgemäß und sollten Teil des physiothera-
peutischen Repertoires sein? Eine Frage, die
sich aus subjektiver Sicht der Autorin nur mit
»Ja« beantworten lässt. Sowohl die TENS als
auch die NMES sind Methoden, die einfach
und kostengünstig anzuwenden sind und
deren Wirkungsweise evident ist. Neben der
Verbesserung der Lebensqualität durch we-
niger Schmerz, weniger Dyspnoe und mehr
Kraft- und Ausdauerleistung, geben wir
PhysiotherapeutInnen den PatientInnen ein
Stück Unabhängigkeit zurück, in dem wir sie
ermächtigen durch eigenständiges Anlegen
von Elektroden und der Nutzung der Geräte
selbstbestimmt zu agieren. Dieses Empower-
ment ist ein wesentlicher Schritt aus der
Ohnmacht, in der sich manche unserer
PalliativpatientInnen gefangen fühlen.
Massagen werden von verschiedenen Be-
rufsgruppen den PatientInnen angeboten,
v.a. die Pflege bedient sich zunehmend
meist in Kombination mit Aromatherapie
dieser Methode. Welchen Stellenwert hat
nun die Massage im Berufsalltag der palliativ
arbeitenden PhysiotherapeutInnen? Eine
Frage, die ich gerne aus meiner ganz persön-
lichen Sichtweise und Erfahrung beantwor-
ten möchte. Bei vielen PatientInnen, die erst
sehr spät zur Physiotherapie zugewiesen
wurden, war eine Colonmassage oder auch
eine Entspannungsmassage der Füße und
Unterschenkel gleichsam der Schlüssel, um
das Vertrauen der PatientInnen zu gewinnen,
da sie erstmal seit langem Schmerzlinde-
rung, Entspannung und angenehme Berüh-
rung in einer durchaus auch aus eigenem
Wunsch berührungsarmen Lebenssituation
erleben konnten. Andere auch wesentlich
aktivere Therapien konnten folgen und den
Betroffenen mehr Partizipation und damit
Lebensqualität ermöglichen.
Oft ist der Einsatz einer Fuß- oder Handmas-
sage mit einem Aromaöl frei nach der Wahl des
Patienten bzw. der Patientin – sie wissen am
besten, welcher Duft ihnen jetzt unabhängig
von der zugeschriebenen Wirkung gut tut – eine
Erste-Hilfe-Maßnahme in bedrohlichen Situatio-
nen, wie ich sie in der onkologischen Tages-
bettenklinik nach einem Re-staging häufig er-
lebe. Wenn das Screening nicht das erhoffte
Ergebnis eines verkleinerten Tumors sondern
neue Metastasen in Knochen, Leber und/oder
Gehirn zum Vorschein brachte, brechen Welten
zusammen. In diesen Moment sind meine
Hände und die Zuwendung durch Berührung
gepaart mit Zuhören oder einfach nur Schwei-
gen mindestens so hilfreich wie die Gespräche
mit der Psychotherapeutin und legen eine gute
Basis für weitere physiotherapeutische Inter-
ventionen und Zusammenarbeit mit den
Betroffenen.
Schlussendlich steht mir mit der Massage noch
eine Therapiemethode zur Verfügung, die in an-
gepasster Form auch in der präterminalen und
terminalen Phase bei vielen PatientInnen ange-
wendet werden kann, um diverse Symptome
zu lindern. Worte wie »Ach, wie gut das tut«,
einer Patientin mit Lungenfibrose nicht einmal
24 Stunden vor ihrem Tod, die für wenige Minu-
ten ihre bedrohliche Atemnot kaum mehr wahr-
genommen hat, oder auch das »Danke, danke«,
eines sterbenden Familienvaters, der angstfrei
seine restliche Lebenszeit nach einer sanften
Streichmassage erleben konnte, rechtfertigen
zumindest für mich den Einsatz.
Themenschwerpunkt
Physikalische Therapie
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© René Angelis
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