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April 2013
23
PSYCHOMOTORIK
Ingeborg Mairhofer, MSc
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Ingeborg Mairhofer, MSc
ist Mitglied des Lehr- und Forschungs-
personals am Studiengang Physio-
therapie an der FH-OÖ am LKH Steyr.
Sie ist Kinderphysiotherapeutin mit
Schwerpunkt Orthopädie und Neuro-
logie, Referentin für Valeo Psychomoto-
rische Entwicklungsbegleitung GmbH
und Bewegungsexpertin für das Netzwerk
Gesunder Kindergarten OÖ.
Die therapeutischen Interventionen setzten sich aus
medikamentösen und psycho-edukativen Maßnahmen
zusammen. Bewegungstherapie wird, trotz der Beein-
trächtigung der motorischen Fähigkeiten, kaum verord-
net (Röckerrath, 2009). Eine medikamentöse Therapie
sollte nur in schweren Fällen, wenn die Lebensqualität
massiv eingeschränkt ist, eingesetzt werden (Conners,
2001). Die pharmakologischen Interventionsstrategien
wurden in der Bewertung (z. B. US National Institute of
Health) zurückgestuft, da sie zwar die Symptome be-
einflussen, aber die Ursachen nicht beseitigen können
(Reinberger, 2012). Andere Interventionsstrategien
gewinnen an Bedeutung. Fischer (2011) beschreibt
zielführende spielerische Interventionsformen zur perso-
nalen Selbstregulation.
Bewegungstherapeutische Interventionen
Mit der Thematik AD(H)S beschäftigten sich in der
Vergangenheit viele Personen.. Ein Vorreiter war Prof.
Jonny Kiphard, der im Rahmen der Kinder- und Jugend-
psychiatrie die »psychomotorische Übungsbehandlung«
entwickelte und erste Erfolge in der Behandlung von
rastlosen, bewegungsunruhigen Kindern erzielte.
Mittlerweile beschäftigen sich viele ExpertInnen aus
dem Bereich der Psychomotorik (unterschiedlicher theo-
retischer und praktischer Zugänge) mit der Problematik.
Groß angelegte Studien, Symposien und Kongresse
wurden zum Thema abgehalten. Viele Impulse zur Be-
handlung kommen allerdings aus der Praxis (Köcken-
berger, 2005, S. 1)
Ein Baustein im Behandlungskonzept sollte die Förderung
von Bewegung und Wahrnehmung sein. Wie erwähnt
müssen viele PatientInnen auch in weiteren Lebens-
abschnitten betreut werden, da die Symptome auch über
die Phase der Pubertät hinaus bestehen bleiben können
(Skrodzki, 2005).
Diese Fähigkeiten werden auch unter dem Überbegriff
»exekutive Funktionen« zusammengefasst und sind für
die positive Erledigung von Lern- und Arbeitsprozessen
und die soziale Entwicklung von Kindern entscheidend
(Röthlisberger et al, 2010). Daher wird im Zusammen-
hang mit AD(H)S auch der Begriff »dysexekutives Syn-
drom« verwendet (Kubesch, 2008, Spitzer/ Kubesch,
2011).
Derzeit wird ein Anstieg der Erkrankungen festgestellt.
Oft sind zu früh geborene Kinder betroffen. Buben er-
kranken viermal häufiger als Mädchen und die Ernährung
scheint auch eine Rolle zu spielen. Viele Kinder fallen
bereits im Säuglingsalter auf. Schlafprobleme, Schrei-
attacken und große Unruhe können erste Symptome
sein. In der weiteren Entwicklung werden geringe Aus-
dauer, Unberechenbarkeit, eine geringe Anstrengungs-
bereitschaft, massive Trotzausbrüche und unterschiedli-
che Teilleistungsschwächen beschrieben. Spätestens
im Volksschulalter werden die Probleme meist unüber-
sehbar und es kommt zu Krisen im Umfeld der Kinder
(Skrodzki, 2005).
Neben den beschriebenen Auffälligkeiten zeichnen sich
die betroffenen Kinder aber auch durch viele positive
Eigenschaften wie zum Beispiel Begeisterungsfähigkeit,
Hilfsbereitschaft, einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn,
Unermüdlichkeit, kreativen Ideenreichtum, Kontakt-
freude, Sensibilität, Liebe zu Natur und Tieren und inte-
ressierte Offenheit aus. Diese Eigenschaften befähigen
sie, im späteren Leben innovativ und kreativ zu sein.
So stellt Michael Passolt (2005) nach jahrelanger prakti-
scher und theoretischer Auseinandersetzung mit betrof-
fenen Kindern die Frage, ob diese nicht aufgrund ihrer
Eigenschaften in erster Linie eine Bereicherung der
Gesellschaft sind und gerade wegen ihrer kreativen, flexi-
blen und aktiven Art nicht im Erwachsenenalter den Füh-
rungsetagen von Unternehmen zu finden sein müssten.
Alle bislang beschriebenen Verhaltensweisen variieren
bezüglich der Intensität und Qualität. Die Ausprägung
der Störung muss unbedingt auch situationsbezogen be-
schrieben werden, da Kinder etwa in unterschiedlichen
Räumen komplett andere Verhaltensweisen zeigen, von
stark auffällig bis unauffällig.
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