Im Jahr 2003 bekam ich die Möglichkeit, an der Medizi-
nischen Universität Wien in einer wissenschaftlichen
Arbeitsgruppe (Center for Joints and Cartilage der Uni-
versitätklinik für Unfallchirurgie) als wissenschaftliche
Mitarbeiterin mitzuarbeiten. Der Forschungsschwerpunkt
dieser Arbeitsgruppe war die Behandlung von PatientIn-
nen mit Gelenkknorpelschäden und Arthrose. Ziel war es,
Forschungserkenntnisse aus der Grundlageforschung in
den klinischen Alltag zu implementieren und dann auch
zu evaluieren, das heißt zu untersuchen, wie erfolgreich
diese neuen Behandlungsmethoden sind. Meine Aufgabe
war es, die physiotherapeutische Behandlung sowohl
postoperativ als auch konservativ auf evidenzbasierten
Grundlagen aufzubauen und eine standardisierte physio-
therapeutische Vorgehensweise zu etablieren.
Da es zu diesem Zeitpunkt noch keine Masterprogramme
für PhysiotherapeutInnen in Österreich gab, versuchte
ich mir die wissenschaftlichen Grundlagen durch »Selbst-
studium« beziehungsweise durch den Austausch mit
anderen medizinischen Berufsgruppen, die schon wissen-
schaftliches Know-how hatten, zu erwerben. Zahlreiche
Besuche von internationalen Kongressen brachten wich-
tige Kontakte zu wissenschaftlich tätigen Physiothera-
peutInnen und zu internationalen Forschungsgruppen.
Ebenso war auf diesen Kongressen zu bemerken, dass
die Akademisierung innerhalb der Berufsgruppe der
PhysiotherapeutInnen in anderen Ländern schon deutlich
weiter fortgeschritten war als hierzulande, und dass jene
schon länger fixer Bestandteil in der Forschung und
Wissenschaft sind. In den skandinavischen Ländern
sowie in den USA gibt es schon seit Jahren eine Vielzahl
an Masterprogrammen und PhD-Programmen, zu denen
auch PhysiotherapeutInnen zugelassen sind.
2008 startet an der FH Campus-Wien der Masterlehr-
gang »Evidenzbasierte Physiotherapie« mit dem Schwer-
punkten »motorisches Lernen« und »Schmerz«. Dieser
Masterlehrgang war, so wie alle Masterlehrgänge für
PhysiotherapeutInnen in Österreich zu diesem Zeitpunkt,
nicht bundesfinanziert, und so mussten die Kosten von
den TeilnehmerInnen selbst übernommen werden.
Ich absolvierte diesen Masterlehrgang und schloss 2010
mit dem Titel »Master of Science« ab.
Prof. May-Arna Risberg, PhD, eine norwegische
Physiotherapeutin, ist Professorin an der Sporthoch-
schule in Oslo/Norwegen (Norwegian School for Sports
Sciences), die sehr eng mit der orthopädischen Abteilung
des Universitätspitals kooperiert. Die Forschungsgebiete
von Prof. Risberg sind die Traumatologie, Orthopädie und
Sportmedizin mit dem Schwerpunkt »Verletzungen des
vorderen Kreuzbandes« sowie »Arthrose«.
Bereits während des Masterstudiums war mir klar, dass
ich mein Wissen im Bereich des wissenschaftlichen
Arbeitens intensivieren möchte, und so nahm ich ein
Angebot von Prof. Risberg an, in ihrer Arbeitsgruppe als
PhD-Studentin zu arbeiten. Das Thema meines PhD-
Projekts ist der Einfluss von aktiver Physiotherapie auf
Schmerz und Funktion des Kniegelenks bei PatientInnen
mit Arthrose und Gelenksknorpelschäden. Nach Beendi-
gung meines Masterstudiums im Oktober 2010 habe ich
mich dann für dieses PhD-Studium in Oslo beworben.
Voraussetzung für die Zulassung zu diesem Studium ist
der Abschluss eines Masterstudiums mit 120 ECTS-Punk-
ten, ein Notendurchschnitt von 1,5 im Abschlusszeugnis
und der Nachweis von bereits erfolgter wissenschaftli-
cher Tätigkeit. Sind diese Punkte erfüllt (darüber ent-
scheidet die Zulassungskommission an der Universität),
kann man sich für das PhD-Programm bewerben.
Folgendes ist dazu notwendig:
°
Ein zehn Seiten umfassendes Proposal
über das geplante PhD-Projekt
°
Zeitplan über den Ablauf
°
Finanzielle Unterstützung des Projekts
°
Notwendige Infrastruktur (PC, Videokamera,
Bewegungslabor etc.)
°
Supervisor und Co-Supervisor des Projekts
°
Geplante Publikationen
°
Lebenslauf
Promovierte PhysiotherapeutInnen? In Österreich ist dies (noch) Zukunfts-
musik, wenn man jedoch den weiten Weg in den hohen Norden auf sich nimmt,
steht einer wissenschaftlichen Karriere auch für PhysiotherapeutInnen nur
mehr wenig im Weg. Ein Erfahrungsbericht als Nachtrag zum Ausbildungs-
Schwerpunkt der inform Ausgabe 1/2013.
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physio
austria
inform
April 2013
PhD-Studium in Oslo
als neue Chance
Themenschwerpunkt
Ausbildung