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April 2013
PHYSIO AUSTRIA
Der Begriff Burnout wird oft missverstan-
den. Manche sagen sogar, er wird heute inflationär
verwendet. Wann genau spricht man von Burnout?
PRIM. DR. PAUL KAUFMANN
Von Burnout kann man
sprechen wenn ein chronischer Erschöpfungszustand
eingetreten ist, der äußere Ursachen hat. Diese äußeren
Ursachen kann man im beruflichen oder privaten Feld
finden – meist spielen aber mehrere Faktoren zusammen.
Als Burnout in den siebziger Jahren erstmals beschrieben
wurde, ging man davon aus, dass vor allem helfende Be-
rufe davon betroffen sind. Tatsächlich kann es aber jeden
betreffen, von der Hausfrau bis zum Top-Manager, vom
Arzt bis zur Kassiererin. Burnout ist im engeren Sinn keine
Diagnose sondern eine Zusatz-Diagnose. Die PatientIn-
nen haben meist Symptome, die einer Depression zuzu-
schreiben sind, sie haben aber auch Angststörungen,
Ein- oder Durchschlafstörungen. Sie kommen am Ende
des Tages nicht mehr zur Ruhe, können nicht einschlafen
oder wachen verfrüht auf und sind schon mit Gedanken
beschäftigt, wie sie den Tag überstehen sollen.
Das heißt man ist schon völlig erledigt, bevor man
aufgestanden ist?
Oft ist es so, dass schon Sonntagmittag die Angst vor
der neuen Woche beginnt. Man steigt also schon mit
einer Last in die neue Woche ein. Oft kommen auch noch
Selbstmedikationsversuche dazu – mit Alkohol oder Beru-
higungsmitteln – was kurzfristig möglicherweise erleich-
tert aber mittelfristig dazu führt, dass man sich noch
mehr schädigt.
Wo ist Ihrer Erfahrung nach der Punkt, an dem die
Menschen professionelle Hilfe suchen?
Ein sehr häufiges Problem ist, dass es der Betroffene
selbst zuletzt merkt. Sehr häufig merken es die direkte
Arbeitsumgebung oder Angehörige früher. Sie merken,
dass der Betroffene Familie und Freunde vernachlässigt,
nicht mehr schlafen kann oder nicht mehr lacht. Meist
glaubt der Betroffene, er kriegt das selbst hin und über-
fordert sich damit noch mehr.
In wie weit hängt es davon ab, wie gerne man eine
Aufgabe macht?
Ich kenne keine Untersuchung, die darauf Bezug nimmt.
Manchmal kann es eine Gefahr darstellen, wenn jemand
seine Arbeit gerne macht weil es vielleicht schwerer fällt,
sich selbst zuzugestehen, dass es zu viel ist. Wenn man
etwas nicht gerne macht, ist das natürlich ein zusätzlicher
Störfaktor.
Spielt das Gefühl der Ausweglosigkeit eine Rolle, etwa
weil man glaubt, einen Job unbedingt machen zu müssen,
um über die Runden zu kommen oder seine Familie zu
versorgen?
Ohnmacht ist eines der unerträglichsten Gefühle, die der
Mensch kennt. Das Gefühl, nicht selbst bestimmen zu
können, halten wir ganz schwer aus. Tatsächlich ist das
einer der Hauptauslöser, um sich in einer seelischen Aus-
nahmesituation zu fühlen. Man muss das aber genau
analysieren, ob die Situation wirklich so ausweglos ist,
wie es scheint. Wir in Rust merken immer wieder, dass
sich auch in ausweglosen Situationen ein Weg findet, um
die Situation zu verbessern. Das ist die gute Nachricht.
Das Ziel der Therapie ist also auch, Wege aufzuzeigen,
die man vorher nicht gesehen hat?
Das ist eine der Möglichkeiten. Wir versuchen, eine
Bestandsaufnahme zu machen, um herauszufinden
was los ist und die Grenzen aufzuzeigen. Man muss aber
auch sehen, dass es mitunter Fälle geben kann, wo
man jemanden nicht mehr für diesen Arbeitsmarkt fit
machen kann.
Wieviele Leute beschließen während oder nach der
Burnout-Reha gravierende Einschnitte in ihrem Leben,
etwa den Job zu wechseln oder eine Beziehung zu
beenden?
Die meisten haben es vor. Es muss aber nicht immer
ein Jobwechsel sein, manchmal hilft auch eine Reduktion
der Arbeitszeit, die Aufgabe einer Führungsposition oder
eine Veränderung des Arbeitsalltages. Bei manchen
Menschen steht nach der Reha eine Trennung von ihrem
Partner an, manche erkennen, dass sie Traumatisierungen
erlebt haben, wo nur eine längere Psychotherapie hilft,
um wieder arbeits- oder beziehungsfähig zu werden.
Natürlich kann in einem sechswöchigen Reha-Aufenthalt
unter Idealbedingungen vieles leicht möglich erscheinen,
was nachher in der Realität schwieriger ist. Hier wäre
eine weitere therapeutische Phase als Übergang in den
Arbeitsalltages nach der Reha wünschenswert.
»Wir fordern Überdurchschnittliches,
sind aber nur Durchschnitt«
Dr. Paul Kaufmann und sein Team sind für viele von akutem
Burnout Betroffene ein Rettungsanker vor dem drohenden
Untergang. Denn er leitet die auf Burnout spezialisierte
Reha-Einrichtung »Sonnenpark Rust«, wo PatientInnen Wege
aus der Krise finden können.
© Helmut Wallner
Themenschwerpunkt
Körper und Psyche