BEWEGUNGSANALYSE
physio
austria
inform
April 2013
13
Psychomotorische Interaktionen verstehen sich als
initiativ, das heißt, sie setzen den momentanen Willen
der Person durch Bestimmen und/oder Mitbestimmen
um. Das bedeutet, Verhandlungen und Vereinbarungen
treffen zu können, um durch den variierten Einsatz von
Führen und Folgen ein eigenes Ziel zu erreichen.
PatientInnen bringen Vorschläge, Ideen ein und über-
nehmen Verantwortung für den Verlauf des Therapie-
prozesses. Dies ist bedeutend im Übergang zu einem
(teilweise) selbstbestimmten Leben, also oft in der
Endphase eines therapeutischen Prozesses.
Krankheit erfordert die psychomotorische Auseinan-
dersetzung mit allen Bereichen der Verkörperung
°
Wie fühlt sich der durch Krankheit
veränderte Körper an? – Sensomotorik
°
Wie verändert sich durch die Krankheit die
körperliche Erscheinung? – Physiomotorik
°
Welche Handlungsmöglichkeiten
bleiben? – Aktionsmotorik
°
Wie erlebe ich mich mit krankheitsbedingten
Veränderungen in Beziehung? – Interaktion
Die Bereiche der Verkörperung und
die Physiotherapie
SENSOMOTORIK – KINÄSTHESIE
Das Baby in der ersten Lebensphase sucht Kontakt
über Berührung mit der Unterstützungsfläche bezie-
hungsweise mit dem Körper der Bezugsperson. Die
Bewegungen der Extremitäten sind noch undifferen-
ziert, Rumpfbewegungen herrschen vor, das Sehen
ordnet sich dem Spüren unter. Es thematisieren sich
physiologisch Oberflächensensibilität, Lagesinn und
Propriozeption. Rick bezeichnet den sensomotori-
schen Beziehungsmodus als rezeptiv. Rezeptive
Interaktion betrifft die Kompetenz, den eigenen Körper
über die Empfindung von der Außenwelt unterscheiden
zu können. Darauf baut sich psychisch ein komplexes
Bezugssystem von innen/außen bzw. Selbst/Nicht-
Selbst auf. Dies ermöglicht, einen situativen Zusam-
menhang zwischen eigenem Erleben und äußeren
Gegebenheiten zu erkennen.
°
Der/die TherapeutIn führt die Bewegungen an,
der/die PatientIn ist passiv
°
Taktile Informationen herrschen vor:
geführt werden, passiv bewegt werden, berührt
werden: Massage, Schüttelungen …
°
Ausgangsstellungen sind tiefe Körperlagen:
Boden, große Unterstützungsflächen,
unterstützende, sichernde Lagerungen
°
Körperkontakt mit Boden, Wand, Auflageflächen,
anderen Körpern, Therapiematerialien
und -geräten
°
Tonusanpassung: Von außen erfahrenen Wider-
ständen nachgeben oder entgegenwirken –
sich wehren oder sich anpassen
Marie-Luise Seisenbacher,
MSc
(Neuro-Rehabilitation)
ist Physiotherapeutin und Lekto-
rin am Studiengang Physio-
therapie der FH Salzburg für
Neurologie, Psychiatrie, Wahr-
nehmungs- und Entspannungs-
verfahren, Ausbildungsbeglei-
tende Lern- und Praktikums-
Reflexionsprozesse.
Weiterbildung im Bereich Bewe-
gungsanalytik (Begleitung
Selbsterfahrungsprozesse der
Auszubildenden), arbeitet mit
PatientInnen mit psychiatrischen,
psychosomatischen, neuro-
logischen Erkrankungen, psycho-
motorischen Beeinträchtigungen
und ist als Yoga-Lehrerin tätig.
Marie-Luise Seisenbacher, MSc
© Marie-Luise Seisenbacher