physio
austria
inform
April 2013
27
Prim. Dr. Paul Kaufmann
ist Facharzt für Psychiatrie
und leitet das gemein-
nützige Pro-Mente-Reha-
Zentrum Sonnenpark Rust
am Neusiedlersee.
Er ist spezialisiert auf die
Rehabilitation von Burnout-
PatientInnen. Im Gespräch
mit inform skizziert er
Wege aus der Krise für
Betroffene und Präven-
tionsmöglichkeiten.
Was kann die Physiotherapie zur Genesung beitragen?
Die Physiotherapie stellt in unserem Therapiealltag eine
wichtige Säule der Behandlung dar. Es geht darum, in
jeder Hinsicht in Bewegung zu kommen. Das geht über
den Körper und über die Seele. Die PatientInnen haben
ein tägliches Bewegungsprogramm von der Morgen-
aktivierung über Nordic Walking bis hin zu spezifischeren
physiotherapeutischen Behandlungen, etwa Trainings-
programme bei Wirbelsäulenbeschwerden.
Sie werden vermutlich auch Fälle von Menschen haben,
die überhaupt keine Bewegung machen.
So ist es. Man kennt das ja aus eigener Erfahrung:
Wenn man einen ausgiebigen Spaziergang macht, geht
es einem nachher meist besser als vorher. Es gibt jedoch
schwerere Fälle von Angststörungen oder Depression,
wo das nicht so ist. Hier muss man vorsichtig sein, die
Leute nicht überzumotivieren, damit sie das nicht als
Kränkung oder Nicht-Schaffen erleben.
Gerade Gesundheitsberufe gelten als klassisch
gefährdet. Was wäre eine gute Prävention?
Glücklicherweise hat sich die Situation für die helfenden
Berufe seit den Siebzigerjahren verbessert. Viele haben
gelernt, sich abzugrenzen, Persönliches von Beruflichem
zu trennen und auch gelernt, professioneller zu werden.
Ein Haupt-Schutzfaktor ist es, zu lernen, dass auch ein
helfender Beruf einen Anfang und ein Ende des Arbeits-
tages hat. Ein weiterer wichtiger Faktor ist Supervision,
wo Belastendes oder Überlastendes angesprochen und
vermindert werden kann. Es hängt aber auch davon ab,
in welchen Bereich man tätig ist. Für PhysiotherapeutIn-
nen bei uns, die mit psychisch kranken oder traumati-
sierten Menschen arbeiten, ist eine Supervision alle
sechs Wochen empfehlenswert. Prinzipiell ist es gut,
die Work-Life-Balance zu beachten und sich zu fragen:
Stimmt meine Mischung aus Beruf, Freizeitaktivitäten
und Sozialkontakten? Wenn man das tut hat man schon
halb gewonnen. Natürlich ist der Mensch auch zu Spit-
zenleistungen fähig. Aber eben nur eine gewisse Zeit,
wenn man weiß dass man danach wieder zurückschrau-
ben kann. Sonst bekommt man das – wie gerade Physio-
therapeutInnen wissen – am eigenen Körper zu spüren.
Oft wird heute von Menschen prinzipiell das Überdurch-
schnittliche gefordert, obwohl wir wissen, dass der
Mensch eben nur durchschnittlich ist.
INTERVIEW
Bernhard Baumgartner, BA
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