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physio
austria
inform
April 2013
Die Bewegungsbehandlung sollte mit Ansät-
zen aus der systemischen Familientherapie,
verhaltenstherapeutischen Ansätzen und
Ansätzen aus der Psychotherapie verbunden
werden und im Austausch mit anderen Dis-
ziplinen (zum Beispiel Ergotherapie, Diäto-
logie usw.) erfolgen (Passolt, 2005). In der
Physiotherapie werden je nach Problematik
Einzel- oder Gruppentherapien angeboten,
wobei sich besonders psychomotorische
Interventionen anbieten, zumal es da bereits
Wirksamkeitsstudien und positive Erfah-
rungswerte gibt.
Psychomotorik mit »hyperaktiven«
Kindern
Grundsätze im Umgang mit den Kindern
Grundsätzlich muss von schwierigen Situa-
tionen ausgegangen werden, an denen
prinzipiell niemand schuld ist. So hilft es
auch nicht, nur das Kind verändern zu wol-
len, es müssen vielmehr Entwicklungsräume,
die Veränderungen ermöglichen, für das Kind
und seine Bezugspersonen geschaffen
werden. Jedes Kind sollte in erster Linie
erfahren, dass es als Person in Ordnung ist
und dass es über unzählige positive Eigen-
schaften verfügt. Die »störenden« Anteile
machen eigentlich höchstens 10 % des
Gesamtverhaltens aus, rücken jedoch oft in
den Vordergrund (Köckenberger, 2005).
Kinder brauchen Klarheit und Verlässlichkeit,
Rituale und Sicherheit im Verhalten der
Erwachsenen. Wichtig ist auch die Unter-
stützung der Bezugspersonen und Pädago-
gInnen. Notwendig wären Netzwerke im
Familienverband, um die nötige Entlastung
der Bezugspersonen zu erreichen (Köcken-
berger, 2005; Passolt, 2005).
In der Psychomotorik wird das Kind ganz-
heitlich erfasst. Ein Behandlungsprinzip heißt
»von den Stärken ausgehen«. Daher wird
zunächst herausgearbeitet, was das Kind gut
kann, wo es Erfolg und positive Emotionen
erleben kann und wo es selbstwirksam und
selbstbestimmt schöpferisch tätig erleben
kann. Dabei kommt auch dem Gemein-
schaftserleben eine wichtige Rolle zu. Das
Kind muss lernen, seine Fähigkeiten in der
Gruppe einzubringen und sich bezüglich der
Gruppe zu reflektieren. Es kann sich Sicher-
heit im »Bekannten« holen und sich dann ins
»Neuland« wagen. Es muss also primär nicht
das üben, was es nicht kann. Daher hat es
dann auch die Möglichkeit, Sicherheit zu ge-
winnen, Verantwortung zu übernehmen und
sich weiterzuentwickeln (Köckenberger,
2005).
Über Bewegung lernen die Kinder sich zu
spüren, ihre Kraft zu dosieren, die Koordina-
tion zu verbessern und ihre Aufmerksamkeit
zu steuern, Handlungen zu planen und Pro-
bleme zu lösen. Besonders wichtig ist es die
Freude am Tun bei den Kindern zu unterstüt-
zen, da sie Probleme in der Ausdauer und
Aufmerksamkeit aufweisen (Kiphard, 2000).
Veränderungen im Lebensraum der Kinder
können Symptome »verschwinden« lassen.
So kann etwa ein großer Raum den »Dampf-
kesseldruck« nehmen. Organisations- und
Termindruck sollte vermieden werden.
Bewegungsräume und Angebote
Köckenberger (1996) empfiehlt Bewegungs-
landschaften, in denen sich Kinder nach
eigenen Wünschen bewegen und austoben
können. Diese Landschaften sollen unter-
schiedliche Bewegungsformen in variablen
Schwierigkeitsstufen ermöglichen und über
verschiedenste Materialien verfügen. Außer-
dem müssen solche Landschaften veränderbar
sein und Rückzugsmöglichkeiten bieten. »So
lernen die Kinder im Spiel, ohne Leistungs-
druck ihre Grenzen zu erweitern und ihr Han-
deln zu strukturieren« (Köckenberger, 1996a,
S.3). Für Kinder interessante Themen können
in Bewegungsstunden integriert werden, so
etwa Bauen, Konstruieren, Kräfte messen,
Spiele erfinden, aber auch Nachspielen von
Abenteuern wie Power-Ranger, Pokemon oder
Breakdancewettbewerbe, um die Kinder zu
begeistern und zu motivieren. So wird es auch
möglich, über differenzierte Aufgabestellungen
konkrete Erfahrungsräume zu öffnen. Während
der Auseinandersetzung mit einem Thema
können Rollen übernommen werden und un-
terschiedliche Situationen gemeistert werden.
Das unterstützt die Entwicklung von konkreter
Handlungsplanung und von Problemlösungs-
kompetenzen (Passolt, 2005). Im Anschluss
an die Bewegungseinheiten besteht die Mög-
lichkeit der Reflexion. Auf diese Weise kann
neu Erfahrenes noch einmal wiederholt und
im Gedächtnis gespeichert werden.
Themenschwerpunkt
Körper und Psyche
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