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April 2013
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BURNOUT
Bernhard Baumgartner, BA
Es war 1974, als der deutsch-amerikanische
Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger
erstmals das Burnout-Syndrom beschrieb.
Er erkannte vorrangig bei MitarbeiterInnen
im Gesundheits- und Sozialwesen, dass sie
aufgrund von Zeitdruck und Arbeitsüberlas-
tung oft den Widerwillen und die Ungeduld
ihren PatientInnen gegenüber kaum mehr
verbergen konnten. Parallel dazu klagten sie
über psychische Beschwerden. Es war ein
langsamer Prozess, der schließlich aber
zum völligen seelischen und körperlichen
Zusammenbruch führte – der Begriff
»Burnout-Syndrom« war geboren.
Die heute geläufige Definition von Maslach
und Jackson (1989) beschreibt beim Auf-
treten vom Burnout-Syndrom drei charakte-
ristische Merkmale. Das erste und offen-
sichtlichste Merkmal ist dabei die totale
emotionale Erschöpfung. Sie geht einher mit
Kraftlosigkeit, Ohnmacht und dem Verlust
der Fähigkeit mit anderen Menschen mitfüh-
len zu können. Als zweites Merkmal kann
eine Depersonalisierung festgestellt werden.
Oft wird dieses Charakteristikum auch von
übermäßigem Zynismus und einer negativen
Einstellung und Gefühlen gegenüber der
Arbeit und KollegInnen begleitet. Das dritte
und letzte Merkmal ist die Leistungseinbuße.
Angefangen von fehlendem Antrieb, dem
Gefühl nichts mehr oder zu wenig zu leisten,
führt dieser Zustand schlussendlich zu einem
tatsächlichen Leistungsabfall. Erst wenn
diese drei Merkmale vorliegen, wird allge-
mein von einem Burnout gesprochen.
Wie sich die erlebten Symptome beim Einzel-
nen äußern, lässt sich jedoch nicht kategori-
sieren, sie sind oft sehr schwer zu deuten
und können sich vielfältig äußern.
Prim. Dr. Paul Kaufmann, Leiter des Reha-
Zentrums Sonnenpark Rust skizziert im
inform-Interview (ab Seite 26) typische
Burnout-Mechanismen: »Die PatientInnen
kommen am Ende des Tages nicht mehr zur
Ruhe, können nicht einschlafen oder wachen
verfrüht auf und sind schon mit Gedanken
beschäftigt, wie sie den Tag überstehen
sollen.« Zu den offensichtlichen körperlichen
Symptomen zählen körperliche und psycho-
somatische Beschwerden, Schlafstörungen,
chronische Schmerzen ohne Befund oder
Veränderungen des Kortisolstoffwechsels
verschiedener Immunparameter. Gesund-
heitspsychologe und Supervisor MMag.
Philipp Seitz beschreibt, wie vielschichtig die
Symptome sein können: »Es sind zum einen
die persönlichen Faktoren, wie zum Beispiel
ein übermäßiges Engagement, wenig Selbst-
bewusstsein oder wenig kommunikative
Kompetenz, die Nährboden für ein Burnout
sind.« Kommt dann auch noch eine äußerst
belastende Situation, zum Beispiel Zeitdruck,
Überforderung oder eine schlechte Struktur
am Arbeitsplatz hinzu, steigen die Chancen
für eine totale emotionale Erschöpfung.
Die Betroffenen versuchen in dieser Ausweg-
losigkeit oft noch mehr, noch besser zu
machen und versetzen sich so in einen
Zustand ständiger Anspannung. Bis es dann
schließlich zum totalen Zusammenbruch
kommt. Nichts geht mehr. Genau das macht
das Burnout mit unserem Körper – es setzt
unsere natürlichen Schutzmechanismen
»Schach matt«.
Helfende Berufe sind der klassische Fall der
Burnout-Gefährdung. Betroffen kann aber
grundsätzlich jeder sein, von der Hausfrau
bis hin zum Manager. »Besonders gefährdet
sind aber nach wie vor Personen, die mit
Menschen arbeiten«, sagt Seitz. Dazu zählt
er vor allem PflegerInnen, LehrerInnen,
TherapeutInnen oder auch SozialarbeiterIn-
nen. Häufig kann dabei beobachtet werden,
dass diese Menschen ihre Arbeit »mit nach
Hause nehmen«. Selbstständige sieht Seitz
hingegen weniger gefährdet, weil sie mehr
Einfluss auf ihre Arbeitssituation hätten.
Freiwilligkeit bewirke, dass dieselbe stres-
sige Situation eher als positiver Stress
gesehen werde. Allerdings räumt er ein, dass
in der heutigen Arbeitswelt nicht alle soge-
nannten Selbstständigen freiwillig »selbst-
ständig« sind, sondern die Selbstständigkeit
oft als aussichtlose Notsituation erleben.
»Und diese Menschen sind dann sogar sehr
Burnout gefährdet«, so der Psychologe.
Da es bei Burnout kein klar definiertes
Krankheitsbild gibt, ist es auch besonders
schwierig, verlässliche wissenschaftliche An-
gaben über die Häufigkeit dieses Phänomens
statistisch auszuwerten. Fest steht auf jeden
Fall, dass Burnout in den letzten Jahren zur
Volkskrankheit geworden ist. Der deutsche
Burnout-Spezialist Stephan Ahrens geht in
einem Interview mit der »Welt« sogar soweit,
Burnout als »die erste psychosoziale Epide-
mie der Menschheit« zu beschreiben.
»Früher gab es Viren oder Bakterien, heute
schaffen es die Menschen ganz von alleine,
sich eine Krankheit zu bescheren, die epi-
demischen Charakter hat«, so Ahrens. Das
schlägt sich auch in den Krankenständen
nieder. Die deutsche Bundespsychothera-
peutenkammer bestätigte vergangenes Jahr,
dass sich die Fehltage in der Arbeit aufgrund
seelischer Leiden seit dem Jahr 2000 ver-
doppelt haben. Die Krankenstände insge-
samt seien jedoch wegen der angespannten
Arbeitsmarktlage eher rückläufig.
Insgesamt sind Schätzungen zufolge in
Österreich über eine Million Menschen ge-
fährdet, Burnout zu bekommen. Eine Berufs-
gruppe, die besonders anfällig ist, sind auch
heute noch die Beschäftigten im Gesund-
heits- und Sozialwesen. Fast 30 Prozent sind
hier laut einer Umfrage der Gewerkschaft
der Privatangestellten aus dem Jahr 2009
akut gefährdet. Burnout-Experte Seitz hält
deshalb für MitarbeiterInnen in Spitälern re-
gelmäßig Fortbildungen zum Thema Burnout
ab, denn Prävention sei in jedem Fall besser
als Behandlung. Ist man einmal betroffen,
hilft nur mehr Entlastung, Schonung und
Ruhe, beziehungsweise ein langer Kranken-
stand mit Rehabilitation, um die Burnout-
Dynamik zu unterbrechen. Eine Therapie ist
in vielen Fällen erforderlich. Es kann einige
Monate, sogar Jahre dauern, bis ein Burnout
komplett überwunden ist. »Im medizinischen
Sinn ist Burnout keine Krankheit, sondern
die Reaktion auf Überbelastung. Es geht
darum, die Situation und Reaktion auf die
Umwelt zu verändern; ein sehr wichtiger
Gesichtspunkt ist dabei, die Ressourcen
einer Person zu unterstützen und zur Geltung
zu bringen«, so Seitz.
Präventionsmaßnahmen gibt es viele, die
wenigsten befolgen sie allerdings recht-
zeitig. »Sich selbst wahrnehmen, die eigenen
Möglichkeiten der Gestaltung entwickeln,
Grenzen setzen, entspannen, bewusst ge-
nießen oder Pausen machen«, zählt Seitz nur
einige Vorbeugungsmöglichkeiten auf. Auch
auf das Arbeitsumfeld müsse unbedingt ein-
gegangen werden. Gerade in großen Betrie-
ben steht deshalb immer öfter Coaching und
Supervision auf der Agenda, um das Perso-
nal auf die Gefahren und Alarmsignale recht-
zeitig aufmerksam zu machen. Die Zeichen
rechtzeitig zu deuten, ist die wichtigste
Präventionsmaßnahme, die man selbst aktiv
umsetzen kann, denn treffen kann es jeden.
Am Ende der Kräfte