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austria
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April 2013
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Reflexion
Körperliche, psychische und mentale Erfah-
rungen beim Üben können in den Reflexions-
runden zum Ausdruck gebracht und so
verstärkt werden. In der Gruppe ermöglicht
dies Einblicke in die vielfältige Wirkweise der
Übungen bei jedem Menschen und weitet
das Verständnis für Entwicklungsprozesse.
Das Mitteilen der eigenen Wahrnehmungen
ist ein Teil des Beziehungsaspekts, der in der
BBAT ebenfalls eine wichtige Rolle einnimmt.
Beziehung
Die therapeutische Beziehung ist in BBAT
ein zentraler Aspekt. Dabei wird u. a. auf
Theorien des Psychologen und Psychothera-
peuten C. Rogers zurückgegriffen. Seine
Untersuchungen zeigen, dass die Beziehung
zwischen TherapeutIn und PatientIn meist
wichtiger ist als die gewählte Behandlungs-
technik. Für eine entwicklungsfördernde
Beziehung sind laut Rogers drei Komponen-
ten wichtig:
°
die Kongruenz (der/die TherapeutIn
gibt sich so wie er/sie wirklich ist)
°
eine Haltung bedingungsloser positiver
Zuwendung zum Gegenüber
°
empathisches Verstehen
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Das »In-Beziehung-Sein« wird in der BBAT
auch durch Partner- und Stimmübungen
beziehungsweise durch spezielle Druck-
Massageabfolgen körperlich erlebbar.
Es wird davon ausgegangen, dass ein guter
Kontakt zum eigenen Körper Bedingung für
eine gute Beziehung zur Umwelt und zu
anderen Menschen ist.
Jede/r in der Body-Awareness geschulte
PhysiotherapeutIn hat die Übungen über
mehrere Monate selbst praktiziert und den
eigenen Übungsverlauf protokolliert. Die
eigene Praxis bildet die Basis für die Vermitt-
lung der Übungen. Veränderungen in der
Bewegungsqualität der PatientInnen können
nur erkannt werden, wenn der/die Thera-
peutIn selbst diese Körperwahrnehmungen
bewusst erlebt hat. Auch die Beziehungs-
fähigkeit des/r TherapeutIn wird durch das
Üben gestärkt.
BBAT kann in der Einzel- und Gruppen-
therapie angewendet werden. Der Focus
liegt aber auch in der Gruppenbehandlung
auf dem individuellen Entwicklungsprozess.
Bewegungstest (BAS MQ-E)
Um den therapeutischen Prozess aufzuzei-
gen, können mit einem validierten Prüf- und
Messverfahren Bewegungsqualität (K-I-F)
und Eigenerleben des/der PatientIn erhoben
werden. Die Behandlung kann geplant und
evaluiert werden. Wirksame physiotherapeu-
tische Behandlungszugänge gerade auch für
Problemstellungen aus dem Bereich der Psy-
chischen Erkrankungen sind in der heutigen
Zeit dringend notwendig. 38 Prozent der
Europäer waren laut einer Studie von Witt-
chen und seinem Forschungsteam im Jahre
2011 psychisch krank. Die erhobenen Daten
bezogen sich auf die EU, die Schweiz,
Norwegen und Island. »Psychische Krank-
heiten sind die größte Herausforderung für
das europäische Gesundheitssystem des
21. Jahrhunderts«, so die Forscher.
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Es ist wünschenswert und notwendig, dass
wir den Stellenwert, die Konzepte und Be-
handlungsmöglichkeiten der Physiotherapie
in der Psychiatrie innerhalb der eigenen
Berufsgruppe kommunizieren, in der Ausbil-
dung zur Physiotherapie vermitteln, uns mit
Fachpersonen international vernetzen und
Forschung betreiben. Die Physiotherapie ist
ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung
von psychisch erkrankten Menschen.
BEWUSSTSEIN
Monika Mair, Michaela Zocchi
Bei den Push Hands
wird ein Wechsel
von »ich bewege« und
»ich werde bewegt«
erlebbar.
Bei der Schulter-
Druckmassage kann
zum Beispiel die
posturale Aktivität
erfahren werden.
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Carl R. Rogers: Entwicklung
der Persönlichkeit, Verlag
Klett Cotta, S. 37
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wissenschaft/medizin/
studie-fast-40-prozent-der-
europaeer-sind-psychisch-
krank-a-784400.html
© Monika Mair