Was jedoch die Evidenz der Prävention von erektiler
Dysfunktion betrifft, so gibt es keine verlässlichen Unter-
suchungsergebnisse. Dass das Muskeltraining hier auch
hilfreich sein könnte, ist insofern anzunehmen, als des-
sen Präventionswirksamkeit bei anderen Erkrankungen
sowohl in der Phlebologie, Angiologie und natürlich
Sportwissenschaft nachgewiesen ist. Angesichts der
Tatsache, dass jeder 3. Mann ab dem 60. Lebensjahr
von einer erektilen Dysfunktion betroffen ist, scheint ein
präventives Training sinnvoll. Auch wenn diese Empfeh-
lung, statistisch gesehen, schnell relativiert sein mag:
Bei einer Prävalenz der erektilen Dysfunktion von ca. 20%
der über 30-Jährigen empfindet dies nur ein Drittel der
Betroffenen – und damit also ca. 7% aller Männer - auch
als Leiden, dass sie therapeutisch angehen wollen (Braun
2000). Diese Untersuchungsergebnisse könnten in ein
paar Jahren aber ganz anders aussehen, wenn ein ent-
sprechendes Präventionstraining einem breitem Publi-
kum nahegebracht wird – denn wie viel Resignation und
Beziehungswandlung aufgrund von »weichen« Tatsachen
dürfte hier schon in die mittels Fragebogen erhobenen
Zahlen mit eingeflossen sein?
Wechseljahre des Mannes?
Schlagworte, die seit einigen Jahren die Runde machen –
das »Klimakterium virile« oder »Andropause« - lassen einen
speziellen Lebensabschnitt des Mannes erscheinen, der
mit hormoneller Umstellung analog zum Klimakterium der
Frau beschrieben wird. Allerdings sollte sehr vorsichtig
damit umgegangen werden, denn die Studienlage zeigt
keine Verbindung zwischen Testosteron-Spiegel einerseits
und Erektionsfähigkeit, Libido, allgemeiner Kraft und Gewe-
besituation auf der anderen Seite. So wird jetzt immer
häufiger Testosteroneinsatz empfohlen (und auch verlangt),
der sehr an die obligatorische Östrogen-Substitution bei
der Frau der 90er Jahre erinnert und in dessen Folge die
Brustkrebsrate deutlich anstieg. Bezüglich des Prostatakar-
zinoms ist Ähnliches zu befürchten. Daher sollten wir von
Seiten der Physiotherapie eher zurückhaltend sein, einer
physiologischen Veränderung im Leben einen behandlungs-
bedürftigen Anstrich zu geben. Es sind keine Wechseljahre
sondern Alterungsprozesse (beider Geschlechter!), die mit
Hilfe präventiver oder begleitender physiotherapeutischer
Maßnahmen ohne Einschränkung der Lebensqualität erlebt
werden können. Hier ist unsere berufliche Stärke, mit
einem zentralen Pluspunkt im Vergleich zu vermeintlich
schnellen Lösungen mittels Pharmazie: Physiotherapie
von der Fachkraft ist (fast immer) nebenwirkungsfrei!
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Dezember 2013
Themenschwerpunkt
Becken
Quelle: Wikicommons