physio
austria
inform
Dezember 2013
17
BERUFSSCHUTZ
Mag. Patricia Otuka-Karner, Mag. Nicole Muzar
Vor Gericht erkämpft:
Mehr Sicherheit für PatientInnen
In einem von Physio Austria, dem Bundesverband der Physiothera-
peutInnen Österreichs, angestrengten Prozess hat das Oberlandes-
gericht Wien vor wenigen Wochen eine Entscheidung getroffen und
Physio Austria Recht gegeben. In der Rechtssache ging es darum,
dass der Beklagte, ein Heilmasseur mit zahlreichen östlichen und
westlichen Massageausbildungen, der sich selbst als »Wirbelsäulen-
spezialist« bezeichnete – mit einer von ihm entwickelten »Transformati-
ons-Wirbelsäulen-Therapie« die Soforthilfe bei Rückenschmerzen aller
Art ermöglichen sollte –, warb. Dabei bot der Beklagte u.a. die Diag-
nose von Beckenschiefständen und therapeutischen Behandlungen
wie z.B. Atemübungen und passiver Bewegungsübungen bei Wirbel-
säulenproblemen an. Aufmerksam auf den Sachverhalt wurde Physio
Austria zum einen durch ehemalige PatientInnen des Beklagten, zum
anderen auch durch PhysiotherapeutInnen, welche die Rechtmäßigkeit
des Angebotes hinterfragten sowie durch Inserate des Beklagten in
diversen Medien.
Physio Austria vertritt den Standpunkt, dass derartige Therapieange-
bote durch dazu rechtlich nicht befugte Personen für PatientInnen ein
erhebliches Gesundheitsrisiko bedeuten können und zumindest zu
einem Teil in den Vorbehaltstätigkeitsbereich der PhysiotherapeutIn-
nen eingreifen und hat daher im Sinne des PatientInnen – und Berufs-
schutzes Klage beim Handelsgericht Wien eingebracht. Inhalt der
Klage war, dass der Beklagte es zu unterlassen habe, »im geschäftli-
chen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Leistungen, die Ärzten
oder PhysiotherapeutInnen vorbehalten sind, insbesondere die Diag-
nose eines Beckenschiefstandes, das Ausfindigmachen der Ursachen
chronischer Krankheiten, die Diagnoseerstellung und therapeutische
Behandlungen bei Wirbelsäulenproblemen (z.B. Rückenschmerzen,
Bandscheibenvorfall, Skoliose) sowie die Anordnung spezieller Atem-
übungen und passiver Bewegungsübungen gegenüber kranken oder
krankheitsverdächtigen Personen anzukündigen oder anzubieten, sofern
er nicht über die hierfür erforderliche Ausbildung des physiotherapeuti-
schen Dienstes oder eine gleichwertige Ausbildung verfügt«.
Gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien, das dem Klagsbegehren
vollinhaltlich stattgab, hat der Beklagte Berufung erhoben. Mit Urteil
vom 29.07.2013 hat das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht
das erstinstanzliche Urteil aber bestätigt. Dieses Urteil blieb unange-
fochten. Damit ist die Rechtssache rechtskräftig entschieden. Um auch
den betroffenen Personenkreis über das Urteil informieren zu können,
war die Veröffentlichung in Diversen Medien ebenfalls Teil des Klags-
begehrens. Es wurde festgehalten, dass der Beklagte gegenüber der
klagenden Partei schuldig ist, den dem Unterlassungsbegehren stattge-
benden Urteilsspruch für die Dauer von zwei Monaten auf seiner Web-
seite zu veröffentlichen. Physio Austria wurde zudem ermächtigt, einen
Teil des Urteilsspruchs auf Kosten des Beklagten in jeweils einer Aus-
gabe der Zeitschrift »Medizin Heute« (mittlerweile »Vorsorge«) – eine
Beilage der Kronen Zeitung – (siehe Ausgabe Oktober 2013), in einer
Ausgabe von »Österreich« (siehe Ausgabe von 30. Oktober), sowie
dem »inform« (siehe unten) auf Kosten des Beklagten veröffentlichen zu
lassen. Die Übernahme der Verfahrenskosten durch den Beklagten ver-
steht sich von selbst.
Fest steht: Nicht nur für die PatientInnen, auch für die in Österreich
tätigen PhysiotherapeutInnen ist dieses Urteil wesentlich, da ihnen
durch derartige Therapieangebote von Unbefugten Schaden
entstehen kann.
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GZ: 41 Cg 93/10z-52
Im Namen der Republik
Das Handelsgericht Wien erkennt durch die Richterin MMag. Liselotte Eckl in der Rechts-
sache der klagenden Partei
P h y s i o A u s t r i a
, Bundesverband der Physiothera-
peutinnen Österreichs, Linke Wienzeile 8/28, 1060 Wien, vertreten durch Ferner,
Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH, Hellbrunner Straße 11, 5020 Salzburg, wider die
beklagte Partei
W a l t e r S a g a n
, Heilmasseur, Hirschstettner Straße 19-21, C/2, 1220
Wien, vertreten durch (zuletzt) Mag. Dr. Martin Dercsaly, Rechtsanwalt, Oppenheimgasse
37/17/3, 1100 Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (EUR 41.000,--), nach
durchgeführter mündlicher Streitverhandlung zu Recht:
1. Der Beklagte ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbes zu unterlassen, Leistungen, die Ärzten oder Physiotherapeutin-
nen vorbehalten sind, insbesondere die Diagnose eines Beckenschiefstandes, das Ausfindig-
machen der Ursachen chronischer Krankheiten, die Diagnoseerstellung und therapeutische
Behandlung bei Wirbelsäulenproblemen (z.B. Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfall,
Skoliose) sowie die Anordnung spezieller Atemübungen und passiver Bewegungsübungen
gegenüber Kranken oder krankheitsverdächtigen Personen anzukündigen oder anzubieten,
sofern er nicht über die hiefür erforderliche Ausbildung des physiotherapeutischen Dienstes
oder eine gleichwertige Ausbildung verfügt und nicht zur freiberuflichen Ausübung nach dem
Gesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz),
BGBl. Nr. 460/1992 i.d.g.F., oder zur Ausübung des Arztberufes beruft ist, oder darauf hin-
weist, dass diese Leistungen nur von dazu befugten dritten Personen erbracht werden.