inform_Nr5_Dezember2013 - page 14

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physio
austria
inform
Dezember 2013
Themenschwerpunkt
Becken
Beckenboden-Krafttraining
während der Schwangerschaft?
Evidenz am Beispiel der Studie: Salvesen KÅ, Mørkved
S. Randomised controlled trial of pelvic floor muscle
training during pregnancy. BMJ 2004;329:378-80
Maria Schwingenschlögl, MSc
ist freiberufliche Physiotherapeutin
mit Abschluss des Masterlehrgangs
»evidenzbasiertes Arbeiten in der
Physiotherapie«. Sie leitet den Fach-
skype/Journal Club im fachlichen
Netzwerk Uro-Prokto-Gynäkologie
und Geburtshilfe.
Intensives Beckenbodentraining während
der Schwangerschaft kann urinarer Inkonti-
nenz während der Schwangerschaft und
nach der Geburt vorbeugen. Unter Geburts-
helferInnen ist jedoch das Gerücht verbreitet
dass ein starker Beckenboden, wie z.B.
bei Reiterinnen, die Geburt behindert.
Ziel der Studie ist die Untersuchung des
Effekts von Beckenboden-Krafttraining
(Pelvic Floor Muscle Training=PFMT) auf
die Geburt.
Methodik
In dem singlel-blinded RCT wurden 301
gesunde Erstgebärende in eine Interventi-
onsgruppe (n=148) und eine Kontrollgruppe
(n=153) eingeteilt. Die Interventionsgruppe
trainierte zwischen der 20. und 36. Schwan-
gerschaftswoche 12 Wochen lang einmal die
Woche für 60 Minuten unter Anleitung einer
Physiotherapeutin . Zusätzlich wurden die
Schwangeren angewiesen, zweimal täglich
acht bis 12 intensive Beckenboden-Kontrak-
tionen durchzuführen. Die Schwangeren in
der Kontrollgruppe bekamen eine allgemeine
Information und von der Durchführung eines
PFMT wurde ihnen nicht abgeraten.
Main outcome measures waren die Dauer
der Austreibungsphase in Minuten und die
Anzahl der Geburten, bei denen die Austrei-
bungsphase länger als 60 Minuten dauerte,
bei Spontangeburten ab der 38. Schwanger-
schaftswoche mit Schädellage und Schwan-
gerschaft mit einem Kind.
Ergebnisse
Die Schwangeren in der Interventionsgruppe
haben eine niedrigere Rate einer verlänger-
ten Austreibungsphase (22 von 105 Frauen)
als in der Kontrollgruppe (37 von 109
Frauen). Es gab einen Unterschied in der
Dauer der Austreibungsphase zwischen den
zwei Gruppen (40 min vs. 45 min, P=0,06),
allerdings ist dieser nicht statistisch
signifikant.
In der Interventionsgruppe kamen weniger
Steißlagen vor (1 vs 9, P=0,01) und es traten
weniger Episiotomien (51% vs 64%) auf.
Vaginale operative Geburten unterschieden
sich nicht.
Diskussion
PFMT während der Schwangerschaft führt
zu einer verbesserten Muskelkontrolle und
zu kräftiger, flexibler Muskulatur. Die Auto-
rinnen meinen, dass diese Effekte in Zusam-
menhang mit dem zentralen Nervensystem
und der Muskulatur stehen und Training eher
zu erleichtern als zu behindern scheint.
Der Unterschied bei den Steißlagen (1:9)
wurde als möglicher Zufallsbefund interpre-
tiert. Dies könnte damit zusammenhängen,
dass die Schwangeren in unterschiedlichen
Positionen trainiert haben.
Schlussfolgerungen
Intensives Beckenbodentraining während
der Schwangerschaft scheint die Geburt
eher zu erleichtern als zu erschweren und
könnte eine verlängerte Austreibungsphase
bei einer von acht Frauen vorbeugen.
Klinische Relevanz
Einen wichtigen Stellenwert in der physio-
therapeutischen Befunderhebung stellt die
Untersuchung des (Spannungs-)Zustands
und der Funktion des Beckenbodens dar:
Z.B. mittels vaginaler Palpation nach dem
PERFECT Schema mit Überprüfung der Ent-
spannungsfähigkeit, um entsprechend indivi-
duelle Therapiemaßnahmen und Training zu
planen. Die Studie zeigt dass PFMT während
der Schwangerschaft zur Prävention und
Behandlung von Urininkontinenz sinnvoll ist.
Dies sollte unter Berücksichtigung der für die
Geburt notwendigen Entspannungsfähigkeit
des Beckenbodens erfolgen.
LITERATUR
Laycock J, Brown J, Cusack C, et al.
Pelvic floor reeducation for stress in-
continence: comparing three me-
thods. Br J Community Nurs.
2001;6(5):230-237.
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SCHWANGERSCHAFT
Maria Schwingenschlögl, MSc
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