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April 2012
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INFORM
Wie haben Sie gelernt, damit umzugehen?
KRÖGNER
Das sage ich auch immer in meiner Selbsthilfegruppe:
Man muss lernen, auf die Signale seines Körpers zu hören. Der
sagt einem schon, was man tun soll und was nicht. Wenn der Kör-
per Energie hat, kann man etwas tun, wenn nicht dann eben nicht.
Wenn man das akzeptiert, geht es einem viel besser. Man kann
es so sagen: Wo ein normaler Mensch zwölf Stunden am Tag hat,
in denen er produktiv sein kann, haben wir nur zwei Stunden.
Da muss man sich die Energie gut einteilen.
INFORM
Haben Sie den Kampf gegen die Krankheit aufgegeben?
KRÖGNER
Nein, ich hab begonnen, mich mit der Krankheit zu
identifizieren. Ich war ja zwei Jahre fast eingesperrt, weil ich nicht
rausgehen konnte. Ich habe dann begonnen, meiner Krankheit
einen Namen zu geben und mit ihr zu sprechen. Bei mir heißt sie
»Fibro«. Das ist ein Schritt zu akzeptieren, dass die Krankheit in
meinem Körper ist und meinen Alltag einschränkt. Selbst wenn
man, wie ich, zu Beginn nur eineinhalb Häuserblocks weit gehen
kann, ist das schon eine Befreiung. Für uns ist es schon ein Stress,
sich nur zu duschen.
INFORM
Sie sind sozusagen ein Experte für Schmerzen. Wie gehen Sie mit
starken Schmerzen um?
KRÖGNER
Der Weg ist die Akzeptanz. Der Schmerz ist da und man
muss mit ihm leben. Die Frage ist: Was sagt mir mein Körper
damit? Was braucht er von mir? Braucht er Ruhe oder Bewegung?
INFORM
Was bedeutet das für die Angehörigen?
KRÖGNER
Wenn man sich in meiner Selbsthilfegruppe umhört, stellt
man fest, dass die Partner die Krankheit in der Regel nicht ver-
stehen können. Es hilft manchmal, wenn der Partner in die Selbst-
hilfegruppe mitkommt, nur damit er sieht, dass es die Krankheit
wirklich gibt und dass viele davon betroffen sind. Bei manchen hilft
das. Oft ist es aber leider so, dass der Partner das Geraunze über
den Schmerz einfach nicht mehr erträgt. Es ist wichtig, dass das
Umfeld begreift, dass wir nicht auf der faulen Haut liegen wollen,
sondern oft keine andere Wahl haben. Wenn man nur mehr
Schmerzen hat: Was bleibt einem über? Dass man auf lange Sicht
nichts tun kann, kann sehr deprimierend sein.
INTERVIEW
Bernhard Baumgartner, BA
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April 2012
INFORM
Herr Krögner, Sie haben eine Krankheit,
die große Schmerzen verursacht. Wie ist es
dazu gekommen?
E. ALEXANDER KRÖGNER
Ich leide unter Fibromyalgie. Begonnen hat
es vor 18 Jahren, ich war damals noch als
Kellner tätig. Da hatte ich immer wieder
große Schmerzen in den Beinen. Jeden Tag
hab ich für das Aufstehen bis zu einer halben
Stunde gebraucht.
Damals hab ich noch gedacht, das liegt an
meinem Job – wenn man 12 Stunden pro
Tag auf den Beinen ist kann das schon mal
passieren. Aber dann hat sich der Schmerz
begonnen, auf den ganzen Körper auszubrei-
ten – flächendeckend. Sämtliche Gelenke,
Muskeln, Sehnen: alles hat geschmerzt. Das
ist wie wenn die Haut am Knochen brennt.
Das geht bis hin zu Augenschmerzen oder
Migräne. Ich bin dann von einem Arzt zum
anderen geschickt worden und von einem
Spital ins andere: Von der Rheumaambulanz
zur Schmerzambulanz und von dort zum
Neurologen. Keiner hat gewusst, was das ist.
Erst nach sieben Jahren hatte ich erstmals
die Diagnose Fibromyalgie.
INFORM
War das eine Erleichterung?
KRÖGNER
Es war für mich sehr positiv, dass
ich einmal weiß, was es ist. Leider hat mir
trotzdem keiner helfen können. Fibromyalgie
ist eine Schmerz-Wahrnehmungsstörung.
Die meisten Ärzte haben gemeint, dass sei
eben eine Ausnahmeerscheinung, wo man
nichts tun kann. Ich war dann auf Kur, leider
haben die meisten Therapien nicht substan-
ziell geholfen. Man wird halt abgestempelt
als Hypochonder und Psycherl. Die Ärzte
gehen davon aus, dass das im Grunde
psychosomatisch ist. Dabei ist es eher
umgekehrt: Erst kommt die Krankheit,
dann durch die Krankheit die psychischen
Probleme.
INFORM
Was haben Sie gegen die Schmerzen
unternommen?
KRÖGNER
Ich habe so ziemlich alle Schmerz-
mittel probiert, die es gibt. Ich war bis zum
Opiat-Depotpflaster, war dann leider auch
davon abhängig. Zu Spitzenzeiten hatte ich
33 Medikamente pro Tag von Anitdepressiva
bis zu den Opiaten. Da vegetiert man dann
nur mehr vor sich hin. Aber an der Sympto-
matik hat das leider auch nichts verändert,
im Gegenteil. Nach zwei Jahren habe ich
dann alle Tabletten abgesetzt und versucht,
ohne auszukommen. Der ausschlaggebende
Grund war ein Nesselausschlag durch die
Medikamente. Dann folgte der Opiatentzug,
das war ein fünfwöchiger Höllenkampf mit
Angst, Schweiß und Suizidgedanken. Aber
ich war stark genug, das zu schaffen. Ich bin
dann drauf gekommen, dass die Schmerz-
Schübe immer dann kommen, wenn die
Temperaturen sich um mehr als sechs Grad
ändern. Tatsache ist, dass leider keine
Woche vergeht, wo ich keine Schmerzen
habe.
INFORM
Wie fühlt sich so ein Schub an?
KRÖGNER
Das ist wie eine starke Grippe, nur
dreimal so stark. Da geht dann gar nichts
mehr außer ruhig zu liegen. Jede Bewegung,
die man macht, schmerzt einen. Man
bekommt dann richtig »Burnout« von den
Schmerzen. Man ist nicht in der Lage, etwas
zu machen. Alleine um einen Kaffee zu ma-
chen, brauche ich bis zu einer halben Stunde
und bin total erledigt. Dazu kommen massive
Schlafstörungen. Man ist einfach nie ausge-
schlafen weil man aus Erschöpfung ein-
schläft. An einem normalen Tagesablauf ist
da leider nicht zu denken: Wir brauchen bis
zu drei Stunden, um den Tag zu beginnen.
Themenschwerpunkt
Schmerz
»Das ist wie wenn
die Haut am Knochen brennt«
Ernst Alexander Krögner leidet seit 18 Jahren unter Fibro-
myalgie. Mit inform sprach er über seine Schmerzbe-
wältigung, Isolation und den Druck auf Angehörige. Er ist
überzeugt, dass die Krankheit körperliche Ursachen hat
und die psychischen Probleme dadurch entstehen, dass die
Ärzteschaft den Patienten nach wie vor nicht ernst nimmt.
Selbsthilfegruppe Fibromyalgie
Fotos: Helmut Wallner
umfassende
weiterbildung für
physiotherapeuten
Sechssemestriger Weiterbildungs-Masterstudiengang
im Bereich der Manuellen Therapie
Offiziell akkreditiert seit 10. März 2008
Beginn immer im Oktober des jeweiligen Jahres
Ziel des Studienganges und -inhalte
Das präventive und konservative Management von Schmerz
und anderen Symptomen der neuro-muskulären-skelettalen
Dysfunktion der Wirbelsäule und Extremitäten.
Der Erwerb überfachlicher Kompetenzen in Management
und pädagogischen Qualitäten.
Die Vermittlung und der Erwerb von wissenschaftlichen
Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen.
weitere Informationen über das Masterstudium und über
weitere Physiotherapie-Weiterbildungen am EURAK-Ausbil-
dungszentrum für Physiotherapie der UMIT erhalten Sie
unter
Telefon +43 (0)508648-3700 oder
auf
UMIT
the health & life sciences university
MASTERSTUDIUM
ORTHOPÄDISCHE PHYSIOTHERAPIE
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