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physio

austria

inform

Juni 2016

in die Luft starren beim Lernen). Der gleichbleibende

Spannungsfluss unterstützt den direkten Raumantrieb.

PatientInnen kann ich z.B. anleiten, eine Bewegung mit

gleichbleibendem Muskeltonus auszuführen, etwa die

Arme im Sitzen bewegen und versuchen den Tonus

gleich zu halten.

Den indirekten Raumbezug kennen wir in der Physio-

therapie als periphere Wahrnehmung. BallsportlerInnen

benötigen diese Fähigkeit des peripheren Sehens.

Es geht darum, einen Überblick zu bekommen und zu fil-

tern, was wichtig ist und was nicht. Auf der psychischen

Ebene sind Menschen, die sich gerne indirekt bewegen,

meist sehr flexibel und in der Lage, einen Überblick zu

bekommen. Der Vorantrieb ist flexibel. Unsere PatientIn-

nen fangen gerne an abzulenken, erzählen uns Dinge,

die für die Situation nicht relevant sind, und beginnen,

unseren Fokus woanders hinzulenken. Die Spannungs-

flusseigenschaft, die hier dazu gehört, ist das Adaptie-

rende. Der Auftrag hierzu wäre, ständig in kreisenden

Bewegungen den Tonus zu wechseln (Bender, 2007).

Schwerkraft

Im zweiten Lebensjahr beginnen die Kinder mit der

Schwerkraft zu spielen und das eigene Gewicht der

Schwerkraft entgegenzusetzen. Für uns Physiothera-

peutInnen ist dieser Antrieb sehr wichtig, da es dabei

um die Ausprägung der Muskulatur geht.

Die Bewegungsqualität des Starken ist ein ankämpfen-

der Antrieb (z.B. Sumoringen, Bodybuilding, Kampf-

sport). Beim motorischen Lernen brauchen wir diesen

Antrieb, um die Muskulatur zu aktivieren. Sämtliche

Kraftübungen brauchen die Qualität des Starken, um

ausgeführt werden zu können. Auf der psychischen

Ebene spüren wir unsere Kraft und das gibt uns Mut

und Selbstvertrauen. Der Vorantrieb vehement oder

angestrengt kommt dann zum Vorschein, wenn jemand

versucht, stark zu sein.

Die dazu gehörige Spannungsflusseigenschaft ist die

hohe Intensität. In der Physiotherapie kennen wir dies

auch als isometrische Spannungsübungen. Isometrik

verbessert die intramuskuläre Koordination und führt

dadurch zu einem Zuwachs der Maximalkraft. Die Über-

windung der Schwerkraft in Bewegung zeigt sich im

Antrieb leicht. Wir sehen ihn bei BalletttänzerInnen, die

grazil in der Luft schweben. Diese Qualität ist für die

Feinmotorik sehr wichtig. Ohne ein Gefühl für den Ein-

satz meiner Kraft zu haben und die Fähigkeit, diese an

veränderbare Situationen anzupassen, gehen Dinge

Das Kestenberg

Movement Profile

Unterstützung des motorischen Lernens in der Physiotherapie

Judith Kestenberg hat als Kinderärztin über 20 Jahre lang

Säuglinge und Kinder beobachtet. Sie hat diese Beobach-

tungen in neun Bewegungskategorien eingeteilt. Drei

davon sind für das motorische Lernen von besonderer

Bedeutung. So kann ein Assessment aus diesem Bereich

in einigen Aspekten ebenfalls dem physiotherapeutischen

Zugang dienen, da das Kestenberg Movement Profile u.a.

ein Instrument zur Untersuchung des Bewegungs- und

Ausdrucksverhaltens darstellt. Bewegungen werden

qualitativ und quantitativ erfasst (siehe Tabelle).

Spannungsflusseigenschaften sind von Anfang an in

unserem Bewegungsrepertoire angelegt. Sie zeigen das

Temperament eines Menschen und wie man mit Emotio-

nen umgeht. »Vorantriebe« entwickeln sich aus den

Spannungsflusseigenschaften und sind besonders inte-

ressant für uns, da wir sie nutzen, um neue Aufgaben zu

erlernen, aber auch um uns zu verteidigen. Die Aufmerk-

samkeit wird dabei nach innen und nach außen gerichtet.

»Antriebe« entwickeln sich aus den Vorantrieben und

zeigen, wie ein Mensch auf die äußeren Einflüsse von

Raum, Schwerkraft und Zeit reagiert. Im Unterschied zu

den Vorantrieben richtet sich hier die Aufmerksamkeit

nach außen (Kestenberg et al., 1999).

Raum

Beim Antrieb Raum, geht es um das Thema Aufmerk-

samkeit. Er wird im ersten Lebensjahr entwickelt.

Um sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, gibt es

verschiedene Möglichkeiten.

Der direkte Bezug zum Raum: Bei einem Kleinkind, das

gehen lernt, können wir sehen wie hochkonzentriert es

auf einen Punkt ist. Es braucht meistens ein klares Ziel,

auf das es dann zielstrebig zugeht. Auch bei unseren

PatientInnen, die wieder gehen lernen, wenden wir Phy-

siotherapeutInnen diese Strategie an. Wir geben ihnen

ein visuelles Ziel, damit sie eine klare Vorgabe haben.

Auf der psychischen Ebene schaffen direkte Bewegungen

Klarheit und Struktur. Dieser Antrieb wird als ankämpfen-

der Antrieb oder männliche Bewegungsqualität be-

schrieben. In vielen Kampfsportarten finden wir diese

Bewegungsqualität.

Der Vorantrieb zu direkt ist das Kanalisieren. Immer dann,

wenn wir das Gefühl haben, jemand versucht etwas zu

tun, erleben wir einen Vorantrieb. Die innere Klarheit ist

noch nicht gegeben, weil wir etwas Neues lernen und die

Bewegung muss erst noch geübt werden. Die Spannungs-

flusseigenschaften können uns helfen, wenn wir merken,

dass jemand in diesem Vorantrieb stecken bleibt (z.B.

Wir wissen, dass die Art und Weise, wie wir uns bewegen, sehr viel über

unsere Psyche aussagt – ebenso können wir über Bewegung unsere Psyche

beeinflussen. Dieses Wissen kann genutzt werden, um als PhysiotherapeutIn

unsere PatientInnen auch beim motorischen Lernen zu unterstützen.

Fokus

Qualität