PATIENTENBEISPIEL
N.B. 12,5 Jahre
DIAGNOSE
Stoffwechselerkrankung (AADC Mangel)
Therapiezuweisung (Therapiebeginn)
im dritten Lebensmonat, wegen Hypotonie
und Verzögerung der Entwicklung
»Krisen« - einem epileptischen Anfall ähnlich - treten
bei N. seit seinem fünften Lebensmonat auf und belasten
ihn im Abstand von ca. drei bis vier Tagen. Dabei ist
N. sehr unruhig, weint und schreit, streckt sich durch.
Starke Asymmetrie des Körpers, die nur schwer be-
einflussbar ist. Es wird versucht, diese »Krisen« durch
Medikamente (Sedativa) zu unterbrechen. Diese
Episoden kosten dem betroffenen Jugendlichen viel
Kraft, der nächste Tag ist für N. durch vermehrte Ruhe
und Erschöpfung gekennzeichnet.
Bei der Befundung zeigen sich bei N. folgende Auffällig-
keiten: Sein gesamter Körper ist durch die vermehrte
Muskelspannung sowie die Asymmetrie geprägt.
Es besteht eine Kopfabflachung auf der bevorzugen
Seite, eine dementsprechende Gesichtsasymmetrie,
der Mund steht meist offen, das Kiefer ist verformt.
N. weist eine Skoliose und entsprechende Brustkorb-
verdrehung auf, die Lendenwirbelsäule ist in Extension
fixiert. Zusätzlich bestehen eine Beckenverdrehung und
eine Hüftluxation, wobei das entsprechende Bein in
Außenrotation und Abduktion fixiert ist (eine Nullstellung
ist nicht zu erreichen).
Spontanmotorik ist kaum zu beobachten, eine aktive
Aufrichtung oder Hinwendung zu einer Person ist ihm
nicht möglich. Im Rollstuhl muss der Kopf und der Rumpf
bei der Aufrichtung unterstützt werden, die Asymmetrie
ist in dieser Position kaum zu korrigieren.
Diese schweren Beeinträchtigungen prägen das Bild
des Jugendlichen. Doch N. ist ein sehr freundlicher
junger Mann. Er freut sich über soziale Kontakte, kann
seine Augen gut ausrichten, auch Nachschauen ist gut
möglich. Er lacht laut, kann mit Lauten kommunizieren.
N. kann breiiges Essen – mit dem Löffel angeboten –
schlucken. An »Krisentagen« erfolgt die Nahrungsauf-
nahme über die Flasche.
Er ist zart und klein für sein Alter. N. geht in eine basale
Förderklasse; er sitzt in einem angepassten Rollstuhl.
Bei der Physiotherapie stehen folgende Ziele
im Vordergrund:
°
Beeinflussung der Muskelspannung, um verbesserte
Gelenksbeweglichkeit zu erreichen – genauso ist
die Erhaltung der bestehenden Gelenksbeweglichkeit
ein wichtiger Aspekt für die Pflegeerleichterung
°
Mobilisation in Richtung Symmetrie – »Raus aus
der Asymmetrie«
°
Mobilisation des Thorax, um Atmung und
Zwerchfellaktivität zu verbessern
°
Taktile Stimulation, Bewegung in allen Gelenken
und Propriozeptive Reize, um Eigenwahrnehmung
zu verbessern
°
Lagerung in Seiten- und Bauchlage
Pädiatrische Palliativversorgung
Unter Palliativversorgung von Kindern und
Jugendlichen versteht man die aktive und
umfassende Versorgung. Diese berück-
sichtigt Körper, Geist und Seele des Kindes
gleichermaßen und gewährleistet die Unter-
stützung der gesamten betroffenen Familie.
Sie beginnt mit Diagnosestellung und ist
unabhängig davon, ob das Kind eine Thera-
pie mit kurativer Zielsetzung erhält. Es ist
Aufgabe der professionellen HelferInnen,
das Ausmaß der physischen, psychischen
sowie sozialen Belastung des Kindes einzu-
schätzen und zu minimieren.
Wirkungsvolle pädiatrische Palliativversor-
gung ist nur mit einem breiten multidiszipli-
nären Ansatz möglich, der die Familie und
alle öffentlichen Ressourcen miteinbezieht.
Sie kann auch bei knappen Ressourcen
erfolgreich implementiert werden. Pädia-
trische Palliativversorgung kann in Kranken-
häusern, in den Kommunen und zu Hause
bei den PatientInnen erbracht werden.
… das bedeutet:
°
Ziel ist die möglichst hohe
Lebensqualität
°
Begleiteter Mensch und Angehörige
stehen im Mittelpunkt der Bemühungen
des Teams
°
Der Gruppe der Betroffenen steht ein
interdisziplinäres Team zur Verfügung
(wünschenswert wäre einE KoordinatorIn)
°
Kontinuität der Fürsorge ist
gewährleistet
°
Interreligiösität bzw. –kulturalität
sind berücksichtigt
°
Tod wird weder beschleunigt
noch verzögert
Themenschwerpunkt
Physiotherapie und Stoffwechselerkrankungen
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physio
austria
inform
April 2015
© Erna Gadinger