physio
austria
inform
Juni 2015
15
LITERATUR
»International Classification
of functioning, disability and
health (ICF)«
www.who.int/classifications/icf/en/
»Internationale Klassifikation
der Funktionsfähigkeit,
Behinderung und Gesundheit«
(deutsche Fassung)
www.dimdi.de»International Classification
of Diseases (ICD)«
www.who.int/classifications/icd/en/
Chancen für die
Physiotherapie
Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit,
Behinderung und Gesundheit (ICF)
STANDARDISIERUNG
Beate Salchinger, MSc, MSc
Die ICF als ein von der WHO entwickeltes
Klassifikationssystem hat zum Ziel, eine ein-
heitliche und standardisierte Form der Spra-
che und einen Rahmen zur Beschreibung von
Gesundheit sowie mit Gesundheit zusam-
menhängenden Zuständen zur Verfügung zu
stellen. Im Gegensatz zu der ICD–10 (Kurz-
bezeichnung für die Internationale Klassifika-
tionen der Krankheiten, 10. Revision), in der
hauptsächlich Gesundheitsprobleme klassifi-
ziert werden, werden in der ICF Funktions-
fähigkeiten und Behinderungen, verbunden
mit einem Gesundheitsproblem, codiert.
Die spezifischen Ziele der ICF sind:
°
Eine wissenschaftliche Grundlage für das
Verstehen und das Studium des Gesund-
heitszustandes und der mit Gesundheit
zusammenhängenden Zustände, der
Ergebnisse und der Determinanten
herzustellen.
°
Eine gemeinsame Sprache für die Be-
schreibung des Gesundheitszustands
und der mit Gesundheit zusammenhän-
genden Zustände zur Verfügung zu stel-
len, um die Kommunikation zwischen
verschiedenen BenutzerInnen, wie Fach-
leuten im Gesundheitswesen, Forsche-
rInnen, PolitikerInnen und der
Öffentlichkeit, einschließlich Menschen
mit Behinderungen, zu verbessern.
°
Datenvergleiche zwischen Ländern,
Disziplinen im Gesundheitswesen, Ge-
sundheitsdiensten sowie im Zeitverlauf
zu ermöglichen.
°
Ein systematisches Verschlüsselungssys-
tem für Gesundheitsinformationssysteme
bereitzustellen.
Die ICF liefert eine Beschreibung von Situa-
tionen in Bezug auf menschliche Funktionsfä-
higkeiten und ihrer Beeinträchtigungen und
dient als Organisationsrahmen dieser Infor-
mationen. Sie wird in zwei Hauptkomponen-
ten unterteilt: zum einen die Komponenten
der Funktionsfähigkeit und der Behinderung
und zum anderen die Komponente der
Kontextfaktoren. Erstere erfasst die Körper-
funktionen und Körperstrukturen sowie die
Bandbreite der Aktivitäten und Partizipation,
die die Funktionsfähigkeit aus individueller
und gesellschaftlicher Perspektive beschrei-
ben. Die Zweite erfasst Umweltfaktoren be-
ziehungsweise personenbezogen Faktoren,
die Funktionsfähigkeiten beeinflussen
können.
Relevanz für die Physiotherapie
Für die PhysiotherapeutInnen bietet ein
konsequentes Einbeziehen aller Teilbereiche
der ICF die Chance, nicht im Struktur- oder
Funktionendenken hängen zu bleiben, son-
dern dieses immer mit den dazugehörenden
Aktivitäten des für die PatientInnen alltägli-
chen Lebens in Bezug zu stellen. So können
Interventionen auf Struktur- und Funktions-
ebene besser erklärt und für PatientInnen
verstehbar gemacht werden. Barrieren und
Chancen aus dem Bereich der persönlichen
Ressourcen und Umweltfaktoren können
erkannt, angesprochen, bei Bedarf verändert
oder einfach genutzt werden. Das physiothe-
rapeutische Vorgehen wird dadurch indivi-
dualisiert und personenzentriert.
Dieser umfassende Blick auf die Herausfor-
derungen, denen sich eine Person und ein
Team rund um die PatientInnen stellen müs-
sen, stellt eine enorme Chance für den
Therapieprozess dar. Professionenübergrei-
fendes Handeln erhält mit der ICF eine ge-
meinsame Sprache. So kann auch das
Analysieren und Handeln fokussiert auf die
Ziele der PatientInnen in den Mittelpunkt
eines gemeinsamen Vorgehens rücken.
Veränderungen im Gesundheitszustand der
PatientInnen erhalten eine Sprache, die nicht
nur im Team sondern über die Grenzen der
Einrichtungen hinaus verstanden wird. Somit
wird zum Beispiel ein Vergleich von Behand-
lungserfolgen über Institutionen und regio-
nale Gesundheitssysteme hinweg möglich.
Beate Salchinger, MSc, MSc
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