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April 2015
33
EVIDENZBASIERT
Martina Sorge
Klinische Leitlinien sind ein nützliches
Instrument zur Unterstützung des evidenz-
basierten Arbeitens.. Sie sind systematisch
entwickelte Statements, die sowohl
TherapeutInnen als auch PatientInnen in
der Entscheidungsfindung hinsichtlich
adäquater Versorgung unter bestimmten
Voraussetzung unterstützen.
In klinischen Leitlinien werden die ziel-
führendsten Maßnahmen zur Behandlung
dargestellt, indem relevante wissenschaft-
liche Erkenntnisse zur Thematik zusammen-
gefasst und bewertet werden. Damit stellen
sie Empfehlungen aufgrund umfassender
Einschätzung vorhandener Evidenzen für
die Praxis dar. Im Unterschied zu einer
»Systematic Review« wird im Rahmen einer
Leitlinie nicht eine einzelne Frage sondern
eine Serie davon beantwortet, um Physio-
therapeutIn und PatientIn in der Auswahl
von Interventionen bzw. eines gesamten
Pakets zu unterstützen.
Es ist wichtig, dass PhysiotherapeutInnen in
der Entwicklung relevanter multiprofessio-
neller Leitlinien ihre Rolle als ExpertInnen
wahrnehmen. Einige Länder haben Pro-
gramme zur Entwicklung klinischer Leitlinien,
welche hauptsächlich multiprofessionell
ausgerichtet sind, aber natürlich ebenso für
PhysiotherapeutInnen relevant sind. Zusätz-
lich gibt es von manchen WCPT-Mitglieder-
organisationen Entwicklungsprogramme für
und Publikationen von Leitlinien mit gezielt
physiotherapeutischem Fokus.
Physio Austria ist die Einbindung in der-
artige – interdisziplinäre/multiprofessio-
nelle – Projekte ein wichtiges Anliegen.
Zur Erstellung diverser Leitlinien z.B. in
Zusammenarbeit mit der Gesundheit Öster-
reich GmbH (GÖG) oder auch auf internatio-
naler Ebene (Parkinson Leitlinie) entsendet
Physio Austria immer wieder ExpertInnen.
Mitglieder, die in derartige Arbeitsprozesse
eingebunden sind, werden durch die Ver-
mittlung möglicher AnsprechpartnerInnen
für einen fachlichen Diskurs oder durch
das Bereitstellen von Ressourcen wie über
das Guidelines International Network (G-I-N)
unterstützt. G-I-N ist eine non-Profit Ver-
einigung von Organisationen und Einzel-
personen. Partnerschaften bestehen u.a.
mit Organisationen wie The AGREE Research
Trust (Appraisal of Guidelines Research and
Evaluation) und The Cochrane Collaboration.
Martina Sorge
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Die European Physiotherapy
Guideline for Parkinson’s disease –
ein aktuelles Beispiel
Ende 2014 wurde die European Physio-
therapy Guideline for Parkinson’s disease
der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Diese entstand – von ParkinsonNet und der
Royal Dutch Society for Physical Therapy
initiiert und hauptfinanziert – unter Mit-
wirkung der Berufsverbände für Physio-
therapeutInnen aus 19 europäischen
Ländern. Aus Österreich war Silvia Nowotny
als Teil der »Reading Group« an der »Guide-
line Developement Group« beteiligt.
Die Guideline wurde von Anfang an unter
Einbeziehung betroffener PatientInnen
entwickelt und besteht aus vier Teilen: die
Guideline selbst (vorrangig für Physiothera-
peutInnen), Informationen für Personen mit
der Erkrankung, Informationen für ÄrztInnen
v.a. zum Thema Physiotherapie und Informa-
tionen über die Entwicklung sowie die wis-
senschaftliche Begründung. Bei der
Entwicklung der Guideline wurden internatio-
nale Standards berücksichtigt (AGREE und
Grading of Recommendations Assessment,
Development and Evaluation GRADE).
Nach der erfolgreichen Lancierung ist es nun
an den PhysiotherapeutInnen in der Praxis,
die Leitlinie als Instrument der Evidence
Based Practice in ihre Arbeit zu implemen-
tieren. An einer deutschen Übersetzung
wird derzeit gearbeitet.
Zu finden hier:
»European Physiotherapy Guideline
for Parkinson’s disease«
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