Themenschwerpunkt
Physiotherapie gut vermarktet
Wie ist es gelungen, die Idee einer täglichen Turnstunde
in die Praxis umzusetzen? Von der Idee bis zur jetzigen
politischen Umsetzung war es wohl ein mühsamer Weg?
Die tägliche Turnstunde wurde erstmals 1912 nach den
Olympischen Spielen in Stockholm gefordert. Grund war
das damalige schlechte Abschneiden unserer Olympia-
mannschaft. Umgesetzt wurde diese nie. Im Gegenteil:
Unter Ministerin Gehrer wurden die Turnstunden sogar
reduziert. Nach London war die Zeit reif, diese wieder ins
Gespräch zu bringen. Der gesamte organisierte Sport in
Österreich hat sich für diese Initiative eingesetzt. Wir
haben eine starke mediale Präsenz aufgebaut. Die Medien
haben uns sehr unterstützt. Wir haben mit einer Unter-
schriftenaktion, welche von der BSO geleitet wurde, über
150.000 Unterschriften gesammelt. Alle Nationalratsabge-
ordneten haben unterschrieben. Es hat eine breite Zustim-
mung in der Bevölkerung gegeben. Wir sind noch lange
nicht am Ziel. Aber wir werden es schaffen.
Die tägliche Turnstunde ist ja nicht nur ein guter Weg,
um in unserem kleinen Land zu mehr und besseren
österreichischen SpitzenathletInnen zu kommen, sondern
auch ein starker Beitrag zur Gesundheitserhaltung und
Verbesserung der körperlichen Belastbarkeiten durch
Schule und Beruf.
Die Tägliche Turnstunde ist ein wesentlicher Beitrag zur
Gesundheit unserer Kinder. Sie ist aber auch ein starker
Wirtschaftsfaktor. Laut einer Wirtschaftsstudie, welche
von der BSO in Auftrag gegeben wurde, schafft sie 26.000
Arbeitsplätze und einen Mehrwert von 1,1 Milliarden
Euro jährlich. Ein weiterer wichtiger Beitrag, welchen
die gemeinsame Bewegung schafft, ist die Integration.
Wer gemeinsam Sport betreibt, führt keine Kriege.
Als PhysiotherapeutInnen sind wir täglich mit Krankheiten
und körperlichen Überlastungserscheinungen beschäftigt,
die oft auf ungesunden Lebensstil und zu wenig Bewegung
zurückzuführen sind. Wo siehst du da die Rolle der Physio-
therapeutInnen?
Aus eigener Erfahrung und nach 54 Volleyballjahren als
Spieler, Trainer und Funktionär ist mir klar, dass Physio-
therapeutInnen in der Verletzungsvorbeugung extrem
wichtig sind. Im Sport sollen und werden sie präventiv
eingesetzt, um mit TrainerInnen und AthletiktrainerInnen
im Team eng zusammenzuarbeiten. Das halte ich für viel
wichtiger als im Nachhinein zu behandeln. Auch hole ich
mir persönlich, wenn ich körperliche Probleme habe,
immer die Meinung von PhysiotherapeutInnen ein.
Stellenwert der
Physiotherapie im Sport
Interview mit Peter Kleinmann, Vorstandsmitglied
des Österreichischen Olympischen Comités
SABINE SCHIMSCHA
Peter, du bist seit Kurzem wiedergewählter Präsident
des Österreichischen Volleyball-Verbandes. Ebenso bist
du Mitglied des Vorstandes des Österreichischen Olym-
pischen Comités (ÖOC). Man kennt dich aus dem Fern-
sehen oder aus der Zeitung als »Mister Volleyball«. Du
warst bzw. bist Sportler, Trainer und Funktionär. Für die
Aktion der täglichen Turnstunde fungierst du als Chefver-
handler der Österreichischen Bundes-Sportorganisation
BSO und des ÖOC.
PETER KLEINMANN
Die tägliche Turnstunde war eine Kampagne der BSO
und des ÖOC aufgrund der für Österreich enttäuschenden
Londoner Olympischen Spiele. Ja, ich habe die Verhand-
lungen mit dem Unterrichts- und Sportministerium
geführt.
Wie ist der aktuelle Stand zu diesem Thema?
Im März 2015 wurden neue entscheidende Punkte in das
Bundes-Schulorganisationsgesetz eingefügt. Bewegung
ist jetzt endlich ein Bildungsziel. Fünf Stunden Bewegung
in ganztägigen Schulformen – wenn möglich aufgeteilt auf
fünf Tage – sind gesetzlich verpflichtend. In Volksschulen
dürfen Turnstunden nicht mehr gestrichen werden.
Zusätzlich zu LehrerInnen und ErzieherInnen dürfen nun
auch im Sport ausgebildete Personen Kinder beaufsichti-
gen. Dies ist für unsere TrainerInnen ein Meilenstein.
Mit einer dreimonatigen Zusatzausbildung, welche von
der Bundessportakademie (BSPA) in Kooperation mit der
PH durchgeführt wird, dürfen diese als FreizeitpädagogIn-
nen und als Bewegungscoachs an Schulen arbeiten. Ein
tolles Projekt wird es ab September im Burgenland geben.
Sportminister Hans Peter Doskozil und Landeshauptmann
Hans Niessl haben sich entschlossen, im Burgenland
die tägliche Turnstunde als Pilotprojekt flächendeckend
einzuführen. Erstmals ist auch der politische Wille, die
tägliche Turnstunde umzusetzen, erkennbar.
© Alexander Salecic
© O
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sterreichischer Volleyballverband
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sterreichischer Volleyballverband
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September 2016
KURSANKÜNDIGUNG
Laufanalyse und Therapieansätze
bei Laufverletzungen
23. bis 25. Februar 2017
Graz, FH JOANNEUM
Andreas Jocham, MSc