Themenschwerpunkt
Lernen in der Physiotherapie
Zur Ermittlung der Anwendung entweder eines externen
bzw. internen Aufmerksamkeitsfokus standen Fallbei-
spiele mit fünf vorgegebenen und häufig vorkommenden
Therapiesituationen im Mittelpunkt. Inhaltlich bezogen
sich die fünf Fallbeispiele auf folgende Aufgaben: Gleich-
gewicht, Kniebeugen, Fingerbeugung, Standbeinaktivität
und Armelevation. Die Verwendung von zwei unter-
schiedlichen Instruktionsmöglichkeiten (extern fokus-
sierte bzw. intern fokussierte Instruktion) sollten anhand
einer fünfteiligen Skala eingeschätzt werden. Um Anwen-
dungshäufigkeiten der verschiedenen Variablen des mo-
torischen Lernens zu ermitteln, sollten Aussagen dazu
hinsichtlich der Häufigkeit ihrer persönlichen Anwendung
ebenfalls mittels einer fünfteiligen Skala eingeschätzt
werden. Die Auswertung der Daten erfolgte deskriptiv
durch Berechnung der Antworthäufigkeiten und Pro-
zente.
Auszug aus den Studienergebnissen
Für die Hauptfragestellung verblieben schlussendlich
793 auswertbare Fragebögen (Rücklaufquote 19,4%).
Die Tabelle 1 zeigt die erhobenen soziodemografischen
Daten der TeilnehmerInnen.
Die Hauptergebnisse der fünf Fallbeispiele stellten sich
wie folgt dar: In vier der fünf Fallbeispiele zeigte sich,
dass zwischen 80 und 88,6 Prozent der Personen
»immer« oder »häufig« einen externen Antwortfokus
bevorzugt anwenden.
Bei dem fünften Fallbeispiel (Armelevation) verwenden
53,6 Prozent der PhysiotherapeutInnen einen nach
extern gerichteten Aufmerksamkeitsfokus »immer« und
»häufig«, hingegen 41,5 Prozent einen nach intern gerich-
teten Aufmerksamkeitsfokus in den Kategorien »immer«
und »häufig«. Während also die ersten vier Fallbeispiele
eine deutliche Tendenz in Richtung der Verwendung
eines externen Aufmerksamkeitsfokus zeigen, wird bei
dem fünften Beispiel ein externer und interner Aufmerk-
samkeitsfokus mit ähnlichen Häufigkeiten angewendet.
Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die Anwendungshäufig-
keiten der fünf Fallbeispiele für den internen bzw. für
den externen Aufmerksamkeitsfokus.
Bei der Anwendung der verschiedenen Variablen des
motorischen Lernens konnten folgende Häufigkeiten er-
mittelt werden: Instruktionen, Fehlerkorrektur und positi-
ves verbales Feedback werden von über 90 Prozent
»immer« und »häufig« verwendet. Des Weiteren zeigt
sich, dass dreiviertel der Personen (76,7%) die Wiederho-
lungszahlen »immer« und »häufig« vorgeben, ebenso viele
(77,2%) demonstrieren eine neue Bewegung »immer« und
»häufig«. Außerdem wenden 60 Prozent eine manuelle
Führung beim Erlernen einer neuen Bewegung »immer«
und »häufig« an. 54 Prozent der PhysiotherapeutInnen
(in den Kategorien »immer« und »häufig«) lassen Übungs-
inhalte und Pausen mitbestimmen.
Diskussion
Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen, dass in vier von
fünf Fallbeispielen 80 bis 88 Prozent der Physiotherapeu-
tInnen eine extern fokussierte Instruktion bevorzugt an-
wenden. Vor dem Hintergrund der bereits durchgeführten
Studien sind diese Ergebnisse als äußerst interessant
zu bewerten: Zum einen können die Resultate dieser
Umfrage bei österreichischen PhysiotherapeutInnen im
Kontext der zahlreichen Forschungsergebnisse, die einen
auf den Bewegungseffekt gerichteten, externen Aufmerk-
samkeitsfokus als vorteilhaft für das motorische Lernen
ansehen, als durchaus positiv interpretiert werden. Zum
anderen stehen diese Ergebnisse im eindeutigen Gegen-
satz zu Untersuchungen aus Großbritannien, welche die
gegebenen Instruktionen hinsichtlich der Verwendung
eines extern oder intern gerichteten Aufmerksamkeits-
fokus in der tatsächlichen Anwendung bei physiothera-
peutischen Behandlungen ermittelten. Dabei lag die
tatsächliche Anwendungshäufigkeit eines externen
Aufmerksamkeitsfokus bei 22 Prozent (Instruktionen
und Feedbacks), 67 Prozent verwendeten einen internen
Aufmerksamkeitsfokus (Johnson et al., 2013).
TABELLE 1
Soziodemografische Daten
ANZAHL (N)
PROZENT %
Altersgruppe
Bis 29
124
15,7
30 – 39
256
32,4
40 – 49
261
33,0
50+
149
18,9
Geschlecht
Weiblich
648
81,9
Männlich
143
18,1
Höchster Abschluss
Diplom Physiotherapie
516
65,2
Bachelor of Science
117
14,8
Master/Mag/DI/Dr/PhD 158
20,0
Berufsjahre
bis 4
122
15,4
5 bis 9
105
13,3
10 bis 19
250
31,6
20+
314
39,7
Klinischer Fachbereich
Neurologie
103
13,0
Orthopädie/Traumatologie
505
63,8
Innere Medizin/Geriatrie
77
9,7
Sonstige
106
13,4
Arbeitsstunden pro Woche
< 20 Stunden
115
14,5
> 40 Stunden
138
17,4
20 – 30 Stunden
269
34,0
31 – 40 Stunden
269
34,0
Fortbildungen
Ja
215
27,2
Nein
576
72,8