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physio
austria
inform
September 2016
Themenschwerpunkt
Physiotherapie gut vermarktet
Grundsätze des Social Marketing
Social Marketing stellt also eine Strategie zur Verbreitung
erfolgreicher Gesundheitsbotschaften an die Öffentlich-
keit dar, die sich an den Grundsätzen des Konsumgüter-
marketings orientiert. Das »Produkt« jedoch ist kein
materielles, sondern ist definiert durch ein gesundheits-
förderliches Verhalten oder die Inanspruchnahme einer
gesundheitsfördernden (z. B. Bewegungsinitiative) oder
krankheitsvermeidenden (z. B. Vorsorgeuntersuchung)
öffentlichen Maßnahme. Oft lässt sich der Nutzen der
Maßnahme (Senkung eines Gesundheitsrisikos) jedoch
nur schwer langfristig ermitteln, da dieser meist mit
Verzicht (auf Genussmittel wie z. B. Zigaretten) oder
Aufwand (vermehrte Bewegung oder bewusster Umgang
mit Lebensmitteln) verbunden ist. Man kann sich vor-
stellen, dass dieser Aufwand sozusagen der »Preis«
für das Produkt »gesundheitsförderliches Verhalten« ist.
Um diesen Preis nun möglichst attraktiv zu gestalten,
braucht es einen Anreiz, ebenso wie in der Produktver-
marktung. Der Anreiz ist meist mit einer emotionalen
Komponente verknüpft, dies kann ein besseres Körper-
gefühl durch weniger Gewicht, gesellschaftliche Anerken-
nung oder Coolness durch ein »Nein zur Zigarette« sein.
Um den Anreiz in eine gewinnbringende Relation zum
Preis zu setzen, bedarf es ebenso wie in der Produkt-
vermarktung einer Analyse der Zielgruppe, die deren
Bedürfnisse ebenso darlegt wie auch die Risiken, welche
zum Scheitern beitragen können. Der Grad des Erfolges
einer Kampagne lässt sich durch eine Evaluierung dar-
stellen. Diese bedarf jedoch bereits im Vorfeld einer
genauen Planung mit festgesetzten Benchmarks und
adäquaten Messinstrumenten. Umfragetools oder
Assessments kommen hierfür infrage.
Herausforderungen und Risiken
So offensichtlich der Nutzen des Einsatzes von Social
Marketing in der Prävention und Gesundheitsförderung
ist, gibt es dennoch einige Herausforderungen, die mit
der nachhaltig erfolgreichen Durchführung groß angeleg-
ter Kampagnen verknüpft sind. Ohne Zweifel zählt dazu
die Finanzierung. Im herkömmlichen Marketing werden
Break-even-Points (ab wann sich ein Produkt zu rechnen
beginnt) festgelegt, die dann letztendlich die Messlatte
des Erfolges darstellen. Durch die Nichtkommerzialität
des Produktes ist die Finanzierung grundsätzlich eine
Frage der öffentlichen Hand und häufig nicht kosten-
deckend. Somit sind Förderungen und Spenden erfor-
derlich, um hier eine Nachhaltigkeit erreichen zu können.
Ein Risiko stellt die Gefahr der Manipulation zu einem der
Allgemeinheit gefälligen, gesundheitsförderlichen Verhal-
ten dar, ohne über die z. B. bei einer Früherkennungsun-
tersuchung möglichen Nebenwirkung für das Individuum
im Zuge einer Kampagne zu berichten (Buchanan, Reddy
& Hossain, 1994).
Jedes Risiko birgt jedoch auch eine Chance – nämlich
die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung mittels
Social Marketing zu stärken, sie zu informieren und damit
zu eigenverantwortlichen Entscheidungen beizutragen.
Wenn die Überzeugung da ist, wird das Commitment
zur Gesundheit eine Selbstverständlichkeit.
LITERATUR
Buchanan, D. R., Reddy,
S. & Hossain, Z. (1994). Social
marketing: a critical appraisal.
Health Promot Int, 9: 49-57.
Göpfert, W. (2001).
Möglichkeiten und Grenzen
der Gesundheitsaufklärung
über Massenmedien. In:
Hurrelmann, K. & Leppin,
A. (Hrsg.): Moderne Gesund-
heitskommunikation: Vom
Aufklärungsgespräch zur
E-Health. Bern: Hans Huber,
131-141.
Kotler, P. & Zaltman, G. (1971).
Social marketing: an approach
to planned social change.
J Marketing, 35:3 –12.
Best Practice »SicherGehen – SturzAdé«®
Das interdisziplinäre Zentrum für Gangsicherheit
»SicherGehen – SturzAdé«® ist in Wien beheimatet
und wird von einer Physio- und Ergotherapeutin
gemeinsam betrieben. Die Zielgruppe sind Men-
schen ab einem Alter von 55 Jahren, das Produkt
eine Verbesserung der Gangsicherheit. Der Benefit
liegt in einer Reduzierung der Sturzgefährdung
sowie in einer möglichst langen Erhaltung der Auto-
nomie und Selbstständigkeit in Bezug auf Bewegung
im häuslichen Umfeld. Resultierend aus einem
Projekt in einem PensionistInnenhaus, welches
2014 mit dem Preis der österreichischen Gesund-
heitsberufekonferenz ausgezeichnet wurde, be-
dienen sich die beiden Betreiberinnen der Grund-
sätze des Social Marketing, um eine möglichst
breite Öffentlichkeit zu erreichen.
Nähere Infos unter:
www.sichergehen.atGESUNDHEITSBOTSCHAFTEN
Constance Schlegl
KURSANKÜNDIGUNG
SicherGehen – SturzAdé®
16. September 2017
Graz, FH JOANNEUM
Constance Schlegl
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