inform Nr.3 Juni 2014 - page 22

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physio
austria
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Juni 2014
»Wenn die Boccia-Kugel rollt – Senioren schieben keine
ruhige Kugel« lautete der Titel eines Zeitungsberichtes
über die Bocciagruppe im Alten- und Pflegeheim Münich-
holz in Steyr: Mittwoch 9.00 Uhr, Alten- und Pflegeheim
Münichholz in Steyr. Im Therapieraum stellen Physio-
therapeutInnen Sesseln in einer Reihe auf, schieben die
Therapiebetten zur Seite und bereiten das Spielfeld vor.
Bocciabälle liegen bereit. Die Tür zum Therapieraum
steht offen. Pünktlich treffen die TeilnehmerInnen der
Bocciagruppe ein. Manche gehen mit einem Stock,
manche mit einem Rollator, einige sitzen im Rollstuhl.
Nach einer geselligen Begrüßung bilden die SeniorInnen
zwei Mannschaften. Heute findet das Vorbereitungstrai-
ning für den alljährlich bevorstehenden Wettkampf statt.
Es gilt einen Wanderpokal gegen die Behindertensport-
gemeinschaft Altenhof zu verteidigen. Die Aufmerk-
samkeit steigt, das angeleitete Training verlangt Konzen-
tration, taktische Varianten für den Wettkampf werden
Spiele und deren Teilaspekte können als fördernde und
bereichernde Maßnahmen in den physiotherapeutischen
Prozess eingebunden werden. Sowohl der Motivations-
faktor als auch die Sinnelemente des Spieles bieten
verschiedenste Möglichkeiten, die klassischen, physio-
therapeutischen Inhalte zu ergänzen.
Die Bedeutung des Spieles
in der Physiotherapie
besprochen, der Ehrgeiz ist unübersehbar, jede und jeder
gibt das Beste. »Gewinnen lassen wir natürlich keinen
freiwillig.« (Herr K.H. 2012). »Bei einem hausinternen
Turnier haben wir sogar schon einen Pokal gewonnen.«
(Frau K.A. 2012)
Boccia – ein willkommener Zeitvertreib, eine gesellige
Runde unter Gleichgesinnten, ein sportliches Ereignis
für hochbetagte Menschen. Aber was hat das alles mit
Physiotherapie zu tun? Das Bocciaspiel ist eine interna-
tional anerkannte Disziplin im Behindertensportbereich
und lässt sich optimal auf die physiotherapeutischen
Inhalte und Ziele in der Geriatrie adaptieren.
Der Weg vom Spiel zur Physiotherapie
Regelmäßige Aktivitäten sind wichtig, um sowohl die
Mobilität, als auch die mentale wie die soziale Kompe-
tenz im Alter zu erhalten.
Die Bewegungsfreude im Alter ist oftmals getrübt durch
Schmerz- und Reizzustände am Bewegungssystem.
Hypomobilität, mangelnde Qualität von Bewegungs-
abläufen und reduzierte Belastbarkeit der Strukturen
führen häufig dazu, dass sich viele Menschen nur noch
dann bewegen, wenn sie es müssen oder wenn der
Arzt/die Ärztin es verordnet. Selten aus Lust und Freude.
Doch der Mensch ist auf Bewegung hin konzipiert. Bewe-
gung ermöglicht die Sicherstellung der Mobilität, die
Erhaltung der Aktivitäten des täglichen Lebens sowie die
Interaktion mit der Umwelt und mit anderen Menschen.
Laut Befragungen gehören für die meisten Menschen
die Erhaltung der Selbstständigkeit, Kontakte zu anderen
Menschen, Faktoren wie Mobilität und die Ausübung von
Hobbys zur individuellen Lebensqualität.
Die Herausforderung in der Physiotherapie besteht darin,
die Therapieinhalte so zu gestalten, dass bei Menschen
die oftmals verlorengegangene Bewegungslust nachhaltig
geweckt wird und somit die Bereitschaft zur Eigenverant-
wortung im Hinblick auf die Erhaltung der Mobilität ge-
währleistet bleibt.
© lenzendorfmarcus - Fotolia.com
Martina Fröhlich
ist seit 1998 als Physiotherapeutin tätig.
Seit 2011 fungiert sie als fachliche Leitung
der Physiotherapie in den Alten- und
Pflegeheimen in Steyr. Zurzeit absolviert
sie das Masterstudium Evidenzbasierte
Medizin – Demenzstudien an der
Donauuniversität in Krems.
Themenschwerpunkt
Spiele in der Physiotherapie
© Josef Moser
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