inform Nr.3 Juni 2014 - page 26

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physio
austria
inform
Juni 2014
Themenschwerpunkt
Spiele in der Physiotherapie
GESUNDHEITSPOLITIK
Mag. Nicole Muzar
Primärversorung in Österreich
Paradigmensetzung pro PatientInnen und
partnerschaftliche interdisziplinäre Zusammenarbeit
Im Rahmen der laufenden Gesundheitsreform wird
die Neustrukturierung der Gesundheitsversorgung
diskutiert bzw. bereits in die Wege geleitet. Die
Bundesgesundheitskonferenz, zu der das Bundes-
ministerium für Gesundheit Ende März eingeladen
hatte, stand unter dem Titel »Primärversorgung in
Österreich«. Damit wurde deutlich aufgezeigt,
in welche Richtung sich das Gesundheitswesen
entwickeln soll.
»Gesundheitsversorgung NEU müsse sich an die Bedürf-
nisse der Patientinnen und Patienten anpassen,« betonte
Minister Alois Stöger bei der Pressekonferenz »Primär-
versorgung in Österreich - Gesundheitsversorgung Neu
denken«. Wobei Minister Stöger die radikale Veränderung
einer »neuen Gesundheitsversorgung« darin sieht, nicht
die Institutionen sondern die PatientInnen in den Mittel-
punkt zu stellen.
Das Erfordernis, den Menschen in das Zentrum der
Versorgung zu stellen wird bereits in der Erklärung der
WHO von Alma Ata 1978 formuliert. (vgl. Kasten) Diese
Erklärung hat nicht an Aktualität verloren und wird inter-
national für gesundheitspolitische Überlegungen heran-
gezogen. So auch von der Europäischen Kommission,
die ein ExpertInnengremium dazu einberufen hat, sich mit
»effektiven Zugängen, in die Gesundheit zu investieren«
zu befassen und einen Referenzrahmen in Bezug auf die
Grundversorgung zu erarbeiten. Besonderer Schwerpunkt
ist dabei auf die Finanzierungs- und Zuweisungssysteme
zu legen. Die diesbezügliche Stellungnahme der ExpertIn-
nen wird auf europäischer Ebene zurzeit einem europa-
weiten öffentlichen Konsultationsprozess unterzogen,
in den sich auch Physio Austria durch den ER-WCPT
(Europäische Region des Weltverbandes für Physio-
therapie) einbringt.
Das ExpertInnengremium versteht die Primärversorgung
als Bereitstellung von allgemein zugänglichen, personen-
zentrierten, umfassenden Gesundheits- und »Commu-
nity-Services«, die von einem Team von Fachleuten
angeboten werden und dazu geeignet sind, die große
Mehrheit der Gesundheitsbedürfnisse der Bevölkerung zu
adressieren. Diese Services werden in einer nachhaltigen
Partnerschaft mit den PatientInnen und informellen
Pflegekräften angeboten, im Rahmen der Familie und
der Gemeinschaft und spielen eine zentrale Rolle in der
Gesamtkoordination und der Kontinuität der Betreuung
der Menschen. (vgl. EC, Februar 2014) D.h., dass der
Mensch mit seinem sozialen Umfeld in das Zentrum der
Betrachtung rückt und eine wohnortnahe ambulante
Versorgung mit allen relevanten Gesundheitsdienstleis-
tungen zu gewährleisten ist. Primary Healt Care (PHC)
kann sowohl institutionell als auch unter Nutzung von
Netzwerken unter einzelnen Leistungserbringern organi-
siert und erbracht werden.
In beiden Fällen nimmt jedoch eine formalisierte Vernet-
zung aller an der Behandlung Beteiligten im Sinne einer
optimalen Betreuung einen besonderen Stellenwert ein.
Wie Gabriele Jaksch, Präsidentin von MTD-Austria, Dach-
verband der gehobenen medizinisch-technischen
Dienste, feststellt, »geht es dabei um alle Berufsgruppen
im Gesundheits- und Sozialbereich. Die MTD-Berufe
haben dabei eine tragende Rolle!« Die Berufsangehörigen
der gehobenen medizinisch technischen Dienste stellen
nach den Pflegeberufen und den ÄrztInnen die dritt-
stärkste Gruppe im Gesundheitswesen dar. »Es ist klar,
dass diese Berufsgruppen in das neue Gesundheitssys-
tem stärker eingebunden werden müssen als bisher«, so
Jaksch. Wie der niederösterreichische PatientInnen- und
Pflegeanwalt Gerald Bachinger bei der Bundesgesund-
heitskonferenz betonte, besteht JETZT ein »window of
opportunity«.
Erklärung von Alma Ata, der Internationalen Konferenz der WHO von 1978, Artikel VI
»Unter primärer Gesundheitsversorgung ist eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu
verstehen, die auf praktischen, wissenschaftlich fundierten und sozial akzeptablen Methoden
und Technologien basiert und die für Einzelpersonen und Familien in der Gesellschaft durch
deren vollständige Beteiligung im Geiste von Eigenverantwortung und Selbstbestimmung
zu für die Gesellschaft und das Land in jeder Phase ihrer Entwicklung bezahlbaren Kosten
flächendeckend bereitgestellt wird. Sie bildet einen integralen Bestandteil sowohl im Ge-
sundheitssystem eines Landes, dessen zentrale Aufgabe und hauptsächlichen Schwerpunkt
sie darstellt, als auch in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Bevölkerung ins-
gesamt. Sie ist die erste Ebene, auf der Einzelpersonen, Familien und die Gemeinschaft in
Kontakt mit dem nationalen Gesundheitssystem treten, so dass die Gesundheitsversorgung
so nahe wie möglich an Wohnort und Arbeitsplatz der Menschen gerückt wird, und stellt
das erste Element eines kontinuierlichen Prozesses der Gesundheitsversorgung dar.«
Quelle:
LITERATUR
EC, EXPERT PANEL ON
EFFECTIVE WAYS OF
INVESTING IN HEALTH:
Definition of a frame
of reference in relation
to primary care with a
special emphasis on financing
systems and referral systems,
Definition Primary Care –
Preliminary opinion,
Februar 2014
BMG: Unterlagen/
Präsentationen der Bundes-
gesundheitskonferenz
am 31. März sind unter
folgendem Link einzusehen:
gesundheitskonferenz2014/
1...,16,17,18,19,20,21,22,23,24,25 27,28,29,30,31,32
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