Was tun, wenn die Scheide pupst?
Hand aufs Herz: Diesen peinlichen Moment kennen wir Frauen doch alle, wenn Luft hörbar aus der Scheide entweicht. Medizinisch wird der Scheidenfurz Flatus vaginalis genannt und kommt häufiger vor als frau denkt! Flatus vaginalis ist ein natürliches Phänomen, dass aber bei gehäuftem Vorkommen großen Leidensdruck auslösen kann.
Gänzlich verhindern kann frau ihn nicht – keine Chance. Doch was passiert beim Flatus vaginalis eigentlich? In einer Studie aus 2020 wird es wie folgt beschrieben: Ein höherer Ruhetonus kann einen größeren Widerstand verursachen, gegen den eingeschlossene Luft bei körperlichen Aktivitäten ausgestoßen wird (Neels et al., 2020). Vereinfacht gesagt: Umgebungsluft tritt in die Vagina ein und verlässt diese geräuschvoll wieder. Das kommt häufig beim Sport oder Geschlechtsverkehr vor – auch wenn viele hier am liebsten im Boden versinken würden.
Apropos Boden: Der Flatus vaginalis steht in Verbindung mit der funktionellen Anatomie des Beckenbodens. Welche Struktur es genau ist, die das Ausströmen der Luft aus der Vagina begünstigt, ist bis dato nicht ganz geklärt. Expert*innen rätseln noch, ob es tatsächlich der erhöhten Grundspannung am M. levator ani (innerste Schicht des Beckenbodens) oder doch auf eine vermehrte Bulbospongiosusschwäche (Muskulatur um Harnröhre und Scheide) zurückzuführen ist.
Unsere Erfahrungen mit dem Flatus vaginalis aus der physiotherapeutischen Praxis
Letztere Hypothese kann aus unserer Sicht und aus der Erfahrung im Praxisalltag durchaus verifiziert werden. Auch wenn die Ursachen für den Flatus vaginalis nicht gänzlich geklärt sind, müssen sich rund 30 Prozent der Frauen damit auseinandersetzen. In der Praxis sind häufig junge Frauen betroffen, welche kürzlich entbunden, beziehungsweise eine Geburtsverletzung erlitten haben. Weiters sind die Leidtragenden oft mit einer Senkung der Gebärmutter und des Darms diagnostiziert und von analer Inkontinenz betroffen. Kein Wunder, dass diese Frauen eine signifikant schlechtere Sexualfunktion und inkontinenzbezogene Lebensqualität erleben (Lau et al., 2021). Dies wirkt sich nicht nur im Alltag aus, sondern kann auch bei vermeintlich leichten Sportübungen zu Problemen führen.
Physiotherapeutische Hilfe rund um das Tabuthema Flatus vaginalis
Im Alltag tritt der Flatus vaginalis mit 70 Prozent am häufigsten beim Sex auf, gefolgt von Haltungs- und Lageänderung (20 Prozent) und körperlichen Aktivitäten (10 Prozent) (Neels et al., 2020). Aus unserer Sicht stimmt hier die Studienlage mit der Praxis gut überein. Besonders nach der Geburt ist der Flatus vaginalis ein Thema. Daher sprechen wir dieses Problem in unseren Rückbildungsprogrammen sehr deutlich an, aber auch in unseren Beckenbodenkursen findet das Thema seine verdiente Aufmerksamkeit. Wir Therapeut*innen sind da, um Raum zu geben auch für Tabuthemen und Betroffene sind sehr froh, mit ihrem Problem nicht allein konfrontiert zu sein.
Lieber Beckenboden trainieren, statt sich zu genieren
Die gute Nachricht zum Schluss: Keine Frau muss mit dem Flatus vaginalis leben wenn sie es nicht möchte. Ein gut aufgestelltes Beckenbodentraining, ein klarer Befund und Anamnese können sehr hilfreich sein! Der erste Schritt ist der Schwerste - nämlich darüber zu sprechen! Diesen Weg gehen wir sehr gerne mit den betroffenen Frauen und geben ihnen somit wieder ein Stück Lebensqualität zurück.
*Der in diesem Artikel viel verwendete Begriff Frau steht für alle Personen mit Vagina
Literatur: Lau, H.-H., Su, T.-H., Chen, Y.-Y., & Huang, W.-C. (2021). The Prevalence of Vaginal Flatus in Women With Pelvic Floor Disorders and Its Impact on Sexual Function. The Journal of Sexual Medicine, 18(3), 487– 492. https://doi.org/10.1016/j.jsxm.2020.12.008 Neels, H., Pacquée, S., Shek, K.-L., Gillor, M., Caudwell- Hall, J., & Dietz, H. P. (2020). Is vaginal flatus related to pelvic floor functional anatomy? International Urogynecology Journal, 31(12), 2551–2555. https://doi.org/10.1007/s00192-020-04371-9