Tabuthema Beckenschmerz
Viele kennen das: Sie gehen aufgrund von Schmerzen zum Arzt oder zur Ärztin und hören die Antwort „Organisch ist alles in Ordnung“. Das kann im ersten Moment sehr frustrierend sein. Es ist eine Erleichterung, dass man gesund ist. Aber woher kommen die Schmerzen dann?
Nein, es sind keine eingebildeten Schmerzen. Schmerz ist ein wichtiges Warnsignal des Körpers. Er zeigt auf, dass man hinschauen soll, dass eine Änderung im Lebensstil, in der Haltung, im Arbeitsverhalten oder auch auf emotionaler, seelischer Ebene sinnvoll wäre. Funktionelle Störungen beispielsweise zeigen sich (noch) nicht in bildgebenden Verfahren oder im Blutbild. Eine hervorragende Zeit, um den Körper wieder ins Gleichgewicht zu bekommen. PhysiotherapeutInnen sind dafür die ExpertInnen.
Darüber reden
Es ist schwierig für Betroffene, über ihren Intimbereich zu sprechen. Wer redet schon gern über Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, beim Toilettengang oder über ausstrahlende Schmerzen in den Hoden oder Vulvalippen, im Bereich des Schambeins oder im Kreuzbein? Die Schmerzen schränken die Lebensqualität stark ein. Lassen Sie uns die Tabus brechen! Ihre Ansprechpersonen können Therapeutinnen und Therapeuten sein, die sich genau auf diesen Bereich spezialisiert haben.
Befundung & Training Oft sind es Spannungen im Beckenboden, die Schmerzen verursachen können. Der Beckenboden ist ein Muskel, kann also behandelt und trainiert werden. Zur Befundung ist ein Abtasten sinnvoll, da man ihn von außen nur sehr eingeschränkt beurteilen kann. Um das Beckenbodengewebe anschließend behandeln zu können und so für ein Beckenbodentraining optimal vorzubereiten, Verspannungen zu lösen, mögliches Narbengewebe zu mobilisieren und Gewebsschichten gleitfähig zu machen, gibt es unterschiedliche Techniken von außen, oder auch vaginale bzw. anale. Auch beim Training ist der Tastbefund wichtig, um die richtige Umsetzung der Aktivität und Entspannung zu überprüfen. Das therapeutische Üben kann durch Elektrostimulation oder Biofeedbackgeräte unterstützt werden.
Durch das An- und Entspannen des Beckenbodens werden die Wahrnehmung und die Durchblutung des Beckenbereiches verbessert. Bei verbesserter Kraft, Ausdauer und Schnellkraft haben wir positiven Einfluss auf die Lage der Organe, die Kontinenz, aber auch auf die Hüftgelenke, die Haltung und das Gleichgewicht. Es ist daher auch für Personen ohne Schmerzen sinnvoll, die richtige Aktivierung zu erlernen und auch überprüfen zu lassen. Genauso wichtig ist die Entspannungsfähigkeit.
Ursachen & Möglichkeiten
Gerade das „Zu-viel-an-Spannung“ kann zu Schmerzen und Ausstrahlungen führen. Eine andere Ursache können die Bindegewebsstrukturen sein. Das sind die Aufhängungen und Hüllen der Organe, die Verbindungen zwischen den Organen untereinander und zu den Knochen. Der Bewegungsapparat und die Organe stehen in starker Wechselwirkung zueinander. Durch die viszerale Therapie haben wir Einfluss auf die Gleitfähigkeit der Gewebsschichten, die Mobilität von Blase, Uterus und Darm und den Beckenring. Die Verdauung spielt bei Beschwerden im Beckenbereich genauso eine Rolle. Der Dünndarm liegt, nur durch eine Faszie getrennt, direkt auf der Blase. Anfang und Ende des Dickdarms sind über ihre Fixierungen eng mit dem Beckenring verbunden.
Die allgemeine Entspannung ist ein wesentlicher Faktor. Das vegetative System ist maßgeblich an Verdauung, Sexualität und Regenerationsfähigkeit beteiligt. Stress führt zu einer Dysbalance zwischen Sympathikus und Parasympathikus und kann die genannten Prozesse empfindlich stören sowie entzündliche Prozesse fördern. Zusätzlich sollten alle biopsychosozialen Aspekte berücksichtigt werden.
AutorIn
Michaela Zechner, BSc
Mitglied des Kompetenzteams