Do., 23.05.2024

Neues MTD-Gesetz - Stolperstein statt Meilenstein für die Gesundheitsversorgung

Physio Austria übt scharfe Kritik am Gesetzestext und plädiert für niederschwelligen Zugang zu notwendigen therapeutischen Leistungen und echten Fortschritt in der Gesundheitsversorgung.

Seit gut einer Woche ist die Novelle des MTD-Gesetzes 2024 (Medizinisch-technische Dienste) in Begutachtung. Bis einschließlich 29. Mai können auf der Parlamentswebseite Stellungnahmen abgegeben werden. Physio Austria begrüßt zwar die Überarbeitung des mittlerweile 30 Jahre alten Gesetzes, welches unter anderem die Grundlage für die Berufsausübung von rund 18.000 Physiotherapeut*innen in Österreich ist, unterstreicht aber in seiner offiziellen Stellungnahme den deutlichen Verbesserungsbedarf, um echten Fortschritt in der Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und Rückschritt zu verhindern.

Methodenwahl muss in den Händen der Phyisotherapeut*innen bleiben

Zum bestehenden Rechtsbegriff der ärztlichen bzw. zahnärztlichen „Anordnung“ wurde das Wort „konkret“ mit weitreichenden Folgen hinzugefügt. Dies bedeutet, dass der/die anordnende Ärzt*in jede Maßnahme konkretisiert. Bei Anpassungen im Therapieverlauf  z.B. bei der Wahl der Therapiemittel müssten die Patient*innen erneut jedes Mal zum/r verordnenden Ärzt*in zurück. Dies würde bei den Ärzt*innen, den Therapeut*innen und in erster Linie bei den ohnehin bereits belasteten Patient*innen und deren Angehörigen Ressourcen strapazieren. Daher die Forderung von Physio Austria: Die Methodenwahl im Rahmen der ärztlichen Anordnung gehört ausschließlich in die Hand der dafür ausgebildeten und eigenverantwortlich tätigen Physiotherapeut*innen! Es ist absolut nicht nachvollziehbar, wieso rund 18.000 Angehörige eines akademisch ausgebildeten Gesundheitsberufs zu Hilfskräften degradiert werden und Patient*innen Übermaß belastet werden sollen. Ein niederschwelliger Zugang zur Therapie muss ohne Übermaß an Bürokratie gewährleistet sein.

Anspruch auf Kostenerstattungen bei Behandlungen im Rahmen der Sekundärprävention muss weiterhin für Patient*innen gewährleistet sein

Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält die Möglichkeit eines direkten Zugangs für Patient*innen zu physiotherapeutischen Behandlungen im Rahmen der Sekundärprävention. Dies ist grundsätzlich begrüßenswert. Durch die aktuelle Unschärfe der Definition „Sekundärprävention“ und den lediglichen Verweis mit einem Link auf eine momentan online zugängliche Beschreibung würden mit dem aktuellen Entwurf allerdings tausende Patient*innen mit einem Schlag keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die notwendige Behandlung zur Stabilisierung ihrer Erkrankung haben. Die exakte Definition im Gesetzestext wird von Physio Austria eingefordert und in weiterer Folge auch die klare Zusage, dass die Kosten einer Sekundärprävention im Sinne der „Stabilisierung“ eines Gesundheitszustandes weiterhin von der Sozialversicherung getragen werden. Es darf durch die aktuell mangelhafte Definition nicht dazu kommen, dass Patient*innen keine Kostenerstattung für notwendige Therapien mehr erhalten.

Fachliche Spezialisierung muss zur Physiotherapie ohne Verordnung führen
Eine fachliche Spezialisierung führt im internationalen Raum durch die einhergehende weiterführende, formale Qualifikation in der Regel zu einer Befugniserweiterung, sprich zu einem Direktzugang ohne ärztliche Anordnung zur Physiotherapie für Patient*innen. Dies würde auch hierzulande zu einer Entlastung der ohnehin strapazierten Ressourcen im Gesundheitssystem beitragen, Kosten senken, Wartezeiten verkürzen und Anreize für den Verbleib im Beruf mit rechtlich abgesicherte Chancen auf weitere Karrieremodelle schaffen. Es ist daher notwendig, dass bei den vorgesehen Spezialisierungen im MTD Gesetz die Befugniserweiterung im Sinne einer „Muss-Bestimmung“ verankert wird. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber ausgerechnet in Österreich auf die Vorteile eines Direktzugangs im Rahmen einer Spezialisierung für die zu versorgende Bevölkerung verzichten möchte. Ebenso ist es erforderlich, dass mit der formalen Qualifikation der Spezialisierung auch ein Bezeichnungsschutz, wie z.B.“Sportphysiotherapeut*in oder „Osteopath*in“ einhergeht, um Transparenz und Sichtbarmachen der Qualität für die Patient*innen zu gewährleisten und Wildwuchs selbsternannter „Spezialist*innen“, die keinerlei Kompetenz und Befugnis zur Krankenbehandlung aufweisen, entgegenzuwirken.

Finanzierte Masterstudiengänge zur Attratktivierung der Gesundheitsberufe und hochwertigen Versorgung der Bevölkerung
Es ist begrüßenswert, dass Höherqualifizierungsmöglichkeiten im tertiären Bereich auch den MTD-Berufsangehörigen eröffnet werden sollen. Somit müssen endlich öffentlich finanzierte Masterstudiengänge für diese Berufe – wie auch bei anderen Gesundheitsberufen - Realität werden.  Bisher werden die Kosten dafür - zumeist im Bereich von 10.000-20.000 Euro - von den Berufsangehörigen selbst getragen. Ein öffentlich finanzierter Zugang zu Masterstudiengängen eröffnet Berufsangehörigen die Möglichkeit, in ihrem Feld im Sinne der verbesserten Versorgung anerkannt spezialisiert tätig zu sein. Darüber hinaus würde auch dem Bologna-Prozess und der Durchgängigkeit zu Doktoratsstudien Rechnung getragen. Die im Regierungsübereinkommen festgelegte Attraktivierung der Gesundheitsberufe ist auch im Bereich der Physiotherapie erforderlich, um die personellen Ressourcen zur Versorgung der Bevölkerung auch weiterhin aufrechtzuerhalten

Physio Austria ruft sowohl alle Berufsangehörige als auch Patient*innen und Klient*innen zu zahlreicher, öffentlicher Beteiligung im Begutachtungsverfahren auf, um einen tatsächlichen Fortschritt in der Versorgung durch therapeutische Leistungen sicherzustellen. 

Hier der Link zur Presseaussendung.

Hier der Link zur Stellungnahme von Physio Austria