Nachruf Patricia M. Davies
Patricia M. Davies, - von allen Pat genannt, - ist im 89. Lebensjahr in Mendrisio (CH) verstorben. Von einem langen, bewegten, abwechslungsreichen, erfüllten Leben gibt es viel zu erzählen!
Pat wurde 1935 in Süd Afrika geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Gymnastiklehrerin schloss sie die Ausbildung zur Physiotherapeutin an. In Großbritannien arbeitete sie viele Jahre in verschiedenen Kliniken, wo sie auch dem Ehepaar Bobath begegnete und ihre Arbeit mit cerebral geschädigten Kindern kennenlernte.
Auf Initiative von Dr. Wilhelm M. Zinn, dem damaligen Direktor des medizinischen Zentrums Bad Ragaz, fand 1971 der erste Bobath Kurs in der Reha-Klinik Valens mit dem Ehepaar Bobath statt, mit dem Thema: „Behandlung erwachsener Patient*innen mit Hemiplegie“. Danach wurde das Fortbildungszentrum „Hermitage“ unter der Leitung von Gisela Rolf ins Leben gerufen. Dort war Pat Davies 1975 –1991 als leitende Lehrkraft tätig.
Pat unterrichtete in unzähligen Fortbildungen, sie gab Ihre Erfahrung mit neurologischen Patient*innen an alle medizinischen Berufsgruppen weiter. Sie vermittelte uns, dass jede/r Therapeut*in auch ein/e „Lehrer*in“ sein muss, motivierend gegenüber den Patient*innen und den Angehörigen, aber auch gegenüber Kollegen und Kolleginnen im medizinischen Team. Sie machte uns unsere Verantwortung klar, dass die Chancen eines Patienten/einer Patientin in der Rehabilitation und der Lebensqualität zu einem großen Teil von der Kompetenz und dem Engagement des medizinisch-therapeutischen Teams abhängen! Für sie war es eine logische Folge zur Verbreitung des Bobath-Konzepts ihre Expertise an andere weiterzugeben und geeignete Personen zu Bobath-Instruktorinnen und -Instruktoren auszubilden. Folglich war sie 1984 in London bei der Gründung von IBITA (International Bobath Instructors Training Association – damals IBITAH) beteiligt, die 1986 in Jerusalem beschlossen wurde.
So wurde die Hermitage zum „Mekka“ für alle interessierten, engagierten Therapeutinnen und Therapeuten im deutschsprachigen Raum und Pat Davies zu der Autorität in allen therapeutischen Aspekten neurologischer Erkrankungen. Pat war kontaktfreudig, oft humorvoll, allgemein respektiert, aber, besonders in ihren Kursen, immer wieder auch gefürchtet. Bis zum Schluss galt Ihr spezielles Interesse schwer betroffenen Patient*innen nach SHT, „Pushern“, neuropsychologischen Störungen, usw. Der Fortbildungsbedarf war enorm, die Kurse waren schon auf viele Jahre hinaus ausgebucht!
Nicht nur Therapeut*innen reisten von überall her nach Bad Ragaz. Pat baute Verbindungen zu vielen Pionierinnen und Pionieren dieser Zeit auf. Es gab Begegnungen und Kurse z.B. mit Susanne Klein-Vogelbach (Funktionelle Bewegungslehre), Félicie Affolter, Walter Bischofsberger und speziell mit Hans Sonderegger (Affolter Modell - neurologisch-pädiatrisches Therapiekonzept), Geoffrey D. Maitland (Manuelle Therapie), David Butler (Mobilisation of the Nervous System), Kay Coombes (Facio-orale Therapie), sogar Samy Molcho (Körpersprache, Pantomime) habe ich dort erlebt! Man traf sich in Bad Ragaz zu anregenden Kontakten und gegenseitigem Austausch.
Pat Davies schrieb Bücher, die in viele Sprachen übersetzt wurden: „Steps to Follow“ (1.+2. Auflage), - „Right in the Middle”, -“Starting Again” (alle im Springer Verlag erschienen); dazu einige Publikationen. Sie wurde zu unzähligen Kursen und Seminaren in aller Herren Länder eingeladen und trug interessante und unterhaltsame Beiträge auf Kongressen bei. Ihre Erfahrung und Expertise waren weltweit geschätzt!
Obwohl sie auch nach ihrer Pensionierung noch viele Kontakte hatte, interessiert und nach Möglichkeit therapeutisch engagiert war, wurde es in den letzten Jahren ruhiger um sie. Möglicherweise ist Patricia M. Davies heute unseren jüngeren Kolleginnen und Kollegen nicht mehr so ein lebendiger Begriff, aber wer sie erlebt hat, wird eine prägende Persönlichkeit wie Pat zwar vermissen, aber nicht vergessen können und wollen! Die Physiotherapie, vor allem in der Neurologie hat Pat Davies viel zu verdanken.
Mir ist es ein Anliegen, Pat mit meiner Dankbarkeit und Anerkennung nochmals persönlich zu würdigen. Die vielen beruflichen und privaten Begegnungen sind für mich in lebendiger Erinnerung und geprägt sowohl vom fachlichen Austausch als auch von vielen Feiern, wo ihre humorvollen, „schauspielerischen“ Fähigkeiten uns alle begeisterten. Sie war eine große Persönlichkeit, die die Welt der Physiotherapie nachhaltig sehr positiv beeinflusst.
Florence Kraus-Irsigler
Physiotherapeutin und Bobath-Senior-Instruktorin