Mit dem ganzen Körper spielen
Musiker, Musikerinnen, Sänger und Sängerinnen sind Spitzensportler mit Instrument und Stimme. Durch Physiotherapie können sie lernen, Schmerzen zu vermeiden.
Die meisten Musiker und Musikerinnen geben alles für die Musik und vergessen darauf, ihren Körper zu stärken. Doch der Körper ist das Werkzeug, mit dem sie ihre Zuhörer verzücken und Konzertsäle zum Klingen bringen.
Daniel ist mit seinem Latein am Ende: „Ich habe Schmerzen in den Armen und Händen“, schildert er in der physiotherapeutischen Praxis. Er studiert Geige und steht kurz vor einem Wettbewerb. Er zeigt, wie er spielt und seine Physiotherapeutin filmt ihn dabei. Die Aufnahmen verdeutlichen, was ihm solche Schmerzen bereitet: Sein Körper steht nicht im Lot, sein Brustkorb kippt nach hinten, sein Kopf nach vorne. Die Belastung im Nacken-, Brustkorb- und Schulterbereich drückt auf die Nervenbahnen, die seine Arme und Hände versorgen.
Schritt für Schritt erarbeiten die Physiotherapeutin und Daniel die optimale Haltung und integrieren sie in seinen Übungsprozess. Am Anfang fühlt sich für Daniel alles fremd an, doch die Schmerzen lassen nach und er findet Freude an der neuen, aufrechten Haltung. Zusätzlich wird ihm ein Ausdauer- und Kräftigungsprogramm empfohlen. Denn ein Körper, der Klang erzeugen soll, braucht Kraft, Ausdauer und Geschmeidigkeit.
Das gilt auch für Sängerinnen wie Anne, die in Opernhäusern das gesamte Orchester mit ihrer Stimme übertönen muss. Die vielen Auftritte führen dazu, dass ihr Körper aus der Balance gerät. „Ich brauche wieder einmal ein Tune-up“, erreicht uns ihr Anruf. Wie ein Auto regelmäßig in die Werkstatt muss, braucht Annes Körper von Zeit zu Zeit eine Wartung. Mit dem Lockern der Muskulatur im Kopf-, Halsund Nackenbereich wird die Balance des Gewebes rund um den Kehlkopf wieder hergestellt. Für eine optimale Atmung werden Zwerchfell, Organe, Faszien und Wirbel mobilisiert und entspannt. Für die Zeit zwischen den „Tune-ups“ helfen Übungen, die ihren Körper kräftigen, mobilisieren und entspannen sollen. Manchmal steht Anne auf der Bühne, singt einbeinig und macht dabei leichte Kniebeugen. In Gedanken wiederholt sie die Übungsanleitung ihrer Physiotherapeutin: Das Knie nach außen drehen, damit meine Beinachse passt und auch der Beckenboden aktiviert wird, dann klingt die Stimme noch besser. Wie gut, dass ihr langes Kleid die heimliche Turnübung vor dem Publikum versteckt.
Das Ziel ist bei jeder Physiotherapie für Amateur- oder Berufsmusiker dasselbe: Nur wer mit dem ganzen Körper „spielt“, kann den besten Klang erzielen.
AutorIn
Veronika Nocker
Physiotherapeutin, freiberuflich und am Musikum Salzburg