Di., 16.07.2024 | in:
OEGOMT

IFOMPT Kongress in Basel 4.-6- Juni 2024

Der diesjährige IFOMP Kongress fand vom 4.-6. Juni in Basel statt und feierte das 50- jährige Bestehen der IFOMPT. Die ÖGOMT stellte vier der über 1.700 Teilnehmer*innen.

Der Kongress stand im Zeichen von „Building Bridges“ und „We are IFOMPT“ und war eine sehr gelungene Veranstaltung mit vielen hochkarätigen Speakern. Allerdings sollte bei zukünftigen Kongressen auf die Ausgewogenheit zwischen praktischen manualtherapeutischen Inhalten und psychosozialen Themen geachtet werden. Diesmal hat das Pendel deutlich in die Richtung von letzterem ausgeschlagen.

Ein zentrales Thema war daher der Wandel, in dem sich die gesamte Physiotherapie im Allgemeinen und die Manualtherapie im Speziellen derzeit befindet und welche Veränderung es braucht, um auch in den nächsten 50 Jahren und darüber hinaus als Expert*innen relevant zu bleiben. Eine sehr spannende Keynote Lecture zu diesem Thema („The post-professional future for the physical therapies: A radically new image for our practice.“) hielt Dave Nicholls (Australien). 

Das Schlagwort „Die richtige Therapie für den richtigen Patienten zur richtigen Zeit“ wurde öfters zitiert. Sichtbarstes Zeichen nach außen war (die durchaus nicht unumstrittene) Ankündigung, dass die IFOMPT ihren Namen von International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapy in …Manual and Musculoskeletal… ändert. 

Im Anschluss des Kongresses musste die IFOMPT per Aussendung zugeben, dass die Entscheidung, das fünfköpfige Executive Committee mit 5 Männern zu besetzen, nicht  mehr zeitgemäß ist und daher dem Motto „We are IFOMPT“ folgend noch einmal überdacht wird, um für mehr Diversität im Vorstand zu sorgen.

Ein Schwerpunkt des Kongresses war das Thema Migräne und deren Zusammenhang mit Nackenschmerzen. Zu diesem Thema fand eine sehr spannende von Gwendolen Jull (Australien) moderierte Podiumsdiskussion statt, an der die physiotherapeutischen Migräneexpertinnen Débora Bevilaqua-Grossi (Brasilien), Kerstin Lüdtke (Deutschland) und Zhiqi Liang (Australien) teilnahmen. Zhiqi Liang wurde am Morgen desselben Tages für ihre Arbeiten zu diesem Thema mit dem David Lamb Award ausgezeichnet. Die zu diesem Thema forschenden Therapeutinnen waren sich in der Grundthese einig, dass Nackenbeschwerden grundsätzlich keine Migräne auslösen können, umgekehrt aber ca. 80% der Migränepatient*innen an Nackenschmerzen leiden. Zhiqi Liang zeigte in ihrer prämierten Arbeit den Widerspruch auf, dass es auf der einen Seite keine Evidenz für eine Verbesserung der Migräne durch eine Therapie der HWS gibt, auf der anderen Seite es aber sehr wohl im klinischen Alltag immer wieder viele gute Behandlungsergebnisse gibt. Eine mögliche Ursache dafür konnte sie durch die Bildung von Subgruppen aufschlüsseln: bei der physiotherapeutischen Untersuchung konnte nur bei 39% der Migränepatient*innen mit Nackenschmerzen auch tatsächlich muskuloskelletale (MSK) Dysfunktionen in der HWS gefunden werden, während die restlichen 61% MSK unauffällig waren - deren Nackenbeschwerden können - stark vereinfacht dargestellt - mit einem vom Gehirn in den Nacken ausstrahlenden Schmerz erklärt werden. Dies könnte ihrer Meinung nach zu einem „Auswaschungsphänomen“ in der Literatur - in der bisher keine Differenzierung dieser Gruppen stattgefunden hat - führen und somit die fehlende Evidenz erklären. 

Ihrer Meinung nach ist daher ein wichtiger Schritt, dass gut ausgebildete Expert*innen in der MSK-Physiotherapie jene Migränepatient*innen mit MSK Dysfunktionen herausfiltern können, die von einer physiotherapeutischen Behandlung der HWS profitieren. Bei der Gruppe ohne MSK Probleme hingegen könnte die Behandlung die Beschwerden sogar verstärken. 

Auch hier gilt also wieder der Leitspruch „Die richtige Therapie für den richtigen Patienten zur richtigen Zeit“!

Das Thema KI war im Kongress immer wieder vertreten. Derzeit lässt sich noch nicht sagen wohin das genau führen wird, aber vor allem in der Ausbildung nimmt es offensichtlich schon einen großen Stellenwert ein. "Alles was du eine Mentorin/einen Mentor fragen würdest kannst du auch die KI fragen". 

Der Axial-Spondyloarthristis-Block (aSpA) war auch extrem gut besucht. Es gibt keinen Bluttest, der mit Sicherheit eine aSpA bestätigt oder ausschließt. Daher muss von Therapeut*innen Seite gezielt nach Hinweisen gefragt werden können. (Morgensteifigkeit mehr als 30 Minuten, Schlafstörung in der zweiten Nachthälfte, Alter des ersten Auftretens, etc.).