e-Health Tagung 2022
Salzburg, nicht nur Gastgeber*in der Festspiele, sondern auch Gastgeber*in der Digitalisierung. Unter diesem Credo startete die e-Governance und e-Health Tagung 2022. Der erste Vormittag war als Hybridveranstaltung sowohl für e-Governance als auch e-Health konzipiert. Staatssekretär Florian Tursky eröffnete genau mit solch einer hybriden Fragestellung die Konferenz: Wie hätte das Pandemiemanagement vor 20 bis 30 Jahren ausgesehen, sprich ohne die Möglichkeiten der Digitalisierung, ohne Homeoffice, ohne Grünen Pass, ohne die Möglichkeit, soziale Kontakte mittels digitaler Lösungen aufrecht zu erhalten. Der Gesundheitsbereich wurde und steht vor großen Herausforderungen und erste Weichen wurden hier im Bereich der Digitalisierung bereits gestellt, aber viele Fragestellungen sind noch zu lösen. Denn, so ein weiteres Element der Keynote, die Digitalisierung ist ein globaler Prozess, den man nicht aufhalten kann, sondern bestmöglich als Land mitgestalten soll. Es wurde insbesondere hinsichtlich der Digitalisierung von Amtswegen bereits großes erreicht. Als zukünftige, wichtige Fokusbereiche werden die e-ID, Förderung der digitalen Grundbildung in der Bevölkerung sowie Usability, Sicherheit und die Stärkung des Vertrauens in digitale Lösungen seitens Tursky genannt.
Diesen Themen folgte dann auch die anschließende Panel Diskussion mit der allgemeinen Fragestellung „Ist der Digitalisierungsboost gekommen, um zu bleiben?“. Eine Frage, die vom Panel mit einem klaren Ja beantwortet wurde. Die diskutierten Themen reichten von Breitbandinfrastruktur über Bürgerbeteiligung in Digitalisierungsfragen, Herausforderungen in der Vernetzung von Daten, der Datenschutzgrundverordnung bis hin zum demografischen Wandel. Der darauffolgende Round Table war der DESI Studie gewidmet. DESI steht für Digital Economy and Society Index der europäischen Union, einem Index zur digitalen Progression der EU-Mitgliedsstaaten in den Bereichen Human Capital, Infrastructure, Integration of digital Technology und Digital Public Services. Österreich rangiert in diesem Index unter den Top Ten, Finnland erzielt den ersten Platz. Die aus diesem Grund geladene Delegation aus Finnland gab Einblick in den dortigen Umgang mit Bürgerdaten und insbesondere mit Gesundheitsdaten. So hat in Finnland zum Beispiel jede/r Bürger*in die Möglichkeit, jederzeit seine/ihre Gesundheitsdaten gesammelt digital einzusehen.
e-Health Tagung mit Schwerpunkt digitale Gesundheitsanwendungen, e-Health Strategien sowie Gesundheitsdaten.
Der Nachmittag und so auch die eigentliche e-Health Tagung startete wieder mit einem Blick auf Finnland. Die Botschafterin der Republik Finnland, Pirkko Hämäläinen betont erneut, dass die Stärken Finnlands im Bereich der Digitalisierung insbesondere in den digitalen Skills der Bürger*innen, der Cyber Security sowie dem großen Vertrauen der Bürger*innen in digitale Systeme liegen. So nützen in Finnland bereits 92% der Bevölkerung e-Governance Services. Im Bereich der Gesundheitsdaten wird vor allem die Voreiterrolle im Bereich secondary use of social and health data betont. Dies wird über Findata abgewickelt und stellt eine große Innovation dar.
Der anschließende Round Table ist nationalen E-Health Strategien gewidmet. Hier wird abermals betont, dass das Kernelement Vertrauen und Einbindung der Bevölkerung sein muss. Ebenfalls wird betont, dass für die Bereitstellung einer Versorgung am Stand der Technik auch die Datenqualität dem Stand der Technik entsprechen muss. Als Vision um dies zu ermöglichen, wird u.a. die Implementierung der EU Health Care Regulation genannt.
Die folgende Key Note war digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) und digitalen Pflegeanwendungen (DiPA) gewidmet. Eine DiGA ist ein CE-gekennzeichnetes Medizinprodukt, deren medizinischer Zweck wesentlich durch die digitale Hauptfunktion erreicht wird. Ann-Sophie Geier vom deutschen Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung betont, dass derzeit 33 DiGAs in Deutschland zugelassen sind und die Anwendungsgebiete von Rücken- und Gelenksschmerzen über neurologische Krankheiten bis hin zu Anwendungen für Stoffwechselerkrankungen oder psychischen Erkrankungen reichen. Rückenleiden werden dann auch von Ann-Sophie Geier als Beispiel genannt und hier wird Ihrerseits auch eine Parallele zur Physiotherapie hergestellt. Als Vorteil einer DiGA wird betont, dass man zeit- sowie ortsunabhängig Therapien durchführen kann und man sich so den Anfahrtsweg zu Physiotherapeut*innen bzw. die Wartezeit auf einen Therapieplatz erspart. Erwähnt wird jedoch nicht, dass es sich bei der in Deutschland für die Indikationen Osteochondrose und nicht spezifische Kreuzschmerzen zugelassenen Anwendung um eine DiGA im Bereich der DTx. (Digital Therapeutics) handelt. Die entsprechende DiGA ist als Stand Alone Lösung konzipiert, sprich kann von Ärzt*innen ohne einen Besuch bei Physiotherapeut*innen verschrieben werden.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde die Frage „DIGA & DIPA: SHOULD AUSTRIA FOLLOW THE GERMAN PATH?“ erörtert. Betont wurde, dass die Umsetzung der DiGAs in Deutschland ein Vorzeigeprojekt der Interoperabilität sowie ein Marktplatz für Innovationen sei. Ebenfalls wurde bekräftigt, dass es den notwendigen politischen Willen und einen umfassenden Prozess mit Einbindung der entsprechenden Stakeholder*innen brauche, um eine Umsetzung von DiGAs und DiPAs auch in Österreich zu ermöglichen. Seitens Katharina Reich (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) wurde genannt, dass die Umsetzung einem klaren strategischen Prozess folgen und insbesondere die entsprechenden Regulatorien geschaffen sowie die Qualitätssicherung gewährleistet werden müssen, um auf dem Pfad Richtung DiGAs und DiPAs weiterzukommen. In der offenen Fragerunde wurde meinerseits auf, dass in der Keynote von Ann-Sophie Geier genannte physiotherapeutische Beispiel Bezug genommen und betont, dass hier eine etwaige nationale Umsetzung nicht dem deutschen Vorbild folgen soll. Zwar mit einem klaren Ja zur Digitalisierung, jedoch nicht zu Digital Only, es sollen nicht Therapeutinnen und Therapeuten aus dem therapeutischen Prozess mittels einer Softwarelösung ausgeklammert werden. Katharina Reich hat in Ihrer Antwort auf dieses Statement betont, dass in einem etwaigen Prozess hin zu DiGAs und DiPAs alle Berufsgruppen eingebunden werden sollen. Ebenfalls sind noch viele Punkte zu diesem Thema offen, so müssen zum Beispiel Themen wie Datensicherheit und Erstattung entsprechend geregelt werden.
Secondary use of social and health data sowie Women in Health IT
Der zweite Schwerpunkt “Secondary use of social and health data” gab erneut einen Einblick in den Umgang mit Gesundheitsdaten in Finnland. Päivi Sillanauke betonte, dass Finnland mit dem entsprechenden Vertrauen der Bevölkerung in die digitalen Lösungen der Regierung große Fortschritte machen konnte. So ermöglicht es der sogenannte KANTA Service Bürger*innen, ihre eigenen Krankenakten und Rezepte jederzeit online abzurufen. Mittels des Fingenious Service wird die anonymisierte, sekundäre Verwendung von biomedizinischen Daten ermöglicht, ebenfalls eine große Innovation für Forschung und Entwicklung. Die Panel Diskussion zu diesem Thema stellte sich die Frage, wie Österreich hier Anschluss halten kann. Insbesondere wird wieder das Thema Data Privacy genannt, hier muss Vertrauen in der Bevölkerung aufgebaut bzw. verstärkt werden. Ebenfalls kann mit dem Aufbau eines European Health Data Space eine gemeinsame Grundlage geschaffen werden, eine gesamteuropäische Entwicklung zu fördern.
Im folgenden Schwerpunktthema „Women in Health IT“ wurde insbesondere das Thema Gendermedizin betont. Hier besteht großer Handlungsbedarf, angefangen von fehlenden Richtlinien und Standards in der Forschung bis hin zur entsprechenden Einbindung in Gesundheitsdatenbanken. Vom Podium wurde betont, dass Gendermedizin in alle Bereiche Einzug finden soll und insbesondere die Entwicklung von Health-IT Lösungen ein inklusiver Prozess sein muss, der sowohl alle Geschlechter als auch alle Altersgruppen berücksichtigen sollte.
Abgerundet wurde der erste Tag der Konferenz dann noch mit einer Vorstellung zur Plattformarchitektur für DiGAs und DiPAs seitens der K-Business um eine entsprechende Schnittstelle zur ELGA zu ermöglichen, einer Replik auf die Cyber Europe 2022, welche die Resilienze des europäischen Gesundheitssektors getestet hat sowie einer Vorstellung der e-Health Strategie des Landes Vorarlberg. Alles in allem ein sehr spannender Einblick in die derzeitigen Trends im Bereich e-Health und Digitalisierung mit einem klaren Schwerpunkt, der fast in allen Präsentationen des Tages zu hören war: ohne das entsprechende Vertrauen und das Einbeziehen der Bevölkerung kann auch die beste digitale Lösung nicht funktionieren. Hinsichtlich der Physiotherapie bleibt es das Thema DiGA weiter zu verfolgen und hier eine klare Position zu entwickeln, nur so kann die Digitalisierung auch in unserem Fachbereich sinnvoll gelingen.
by: Lukas Maul MSc.