Die Urologie - ein enger Partner der Physiotherapie
Die Physiotherapie gewinnt auch in der Urologie mit ihren Therapiemöglichkeiten immer mehr an Bedeutung und hat nicht nur in der Rehabilitation einen hohen Stellenwert, sondern hilft vielen urologischen PatientInnen in der Primärbetreuung.
Wer noch nie mit der Urologie in Berührung gekommen ist, darf sich glücklich schätzen: Weibliche Patientinnen leiden oft an schmerzhaften Blasenentzündungen und männliche Patienten müssen ab einem gewissen Alter zur regelmäßigen Prostata-Untersuchung. In der Physiotherapie ist die Urologie ein enger Partner.
Harninkontinenz – ungewollter Harnverlust
Ein Schwerpunkt der Urologie sind Funktionsstörungen der Blasenentleerung bzw. des Beckenbodens. Am bekanntesten ist wohl die Harninkontinenz, also der unfreiwillige Harnverlust. Treffen kann es jeden: Junge wie Alte, Frauen wie Männer. In Österreich sind ca. 600.000 Menschen davon betroffen.
Es passiert beim Lachen, Niesen, beim Tragen schwerer Taschen oder beim Sport. Ungewollt gehen ein paar Tropfen in die Hose. Die Gründe sind meist sehr unterschiedlich. Bei Männern können nach einer Prostataoperation Probleme auftreten. Bei Frauen spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Wechseljahre oder Schwäche der Beckenbodenmuskulatur bzw. des Bindegewebes, sowie vorangegangene Schwangerschaften oder Senkungen der Gebärmutter. Weiters sind Leistungssportlerinnen nicht selten betroffen. Es können bei der Harninkontinenz grundsätzlich zwei Arten unterschieden werden: Einerseits die Belastungsinkontinenz, die durch einen schwachen Beckenboden hervorgerufen wird, andererseits die Dranginkontinenz, die mit einem wahnsinnigen Drang verbunden ist und bei der die Blase nur eine geringe Menge Urin fassen kann.
Hilfe durch Beckenbodentraining
Als primäres Therapieziel bei der Belastungsinkontinenz steht die Stärkung des Beckenbodens im Mittelpunkt. Wenn eine Restaktivität des Beckenbodens vorhanden ist, sind die Heilungschancen ausgezeichnet.
Sollten alle konservativen Therapieansätze ausgereizt sein, kann bei gegebener Indikation eine Band-Operation (TVT = Tension-free Vaginal Tape bzw. Harnröhrenschlingensuspension) erfolgen. Durch diese Operation soll die Harnröhre gestützt und der Auslasswiderstand der Harnblase erhöht werden. Betreffend der Dranginkontinenz wird zunächst mit einer Verhaltenstherapie bzw. einem Blasentraining versucht, die Symptome zu lindern. Weiters gibt es hier zahlreiche Medikamente, die den Blasenmuskel dämpfen. Eine urologische Abklärung ist hier unerlässlich, um andere Erkrankungen auszuschließen.
Beckenbodenschmerz – wenn es im Unterbauch weh tut
Der chronische Beckenbodenschmerz ist eine Erkrankung, die in der heutigen Zeit immer häufiger auftritt. Die betroffenen Patienten haben sehr oft eine Odyssee hinter sich, bevor sie eine Ärztin / einen Arzt oder eine Therapeutin / einen Therapeuten finden, die sich mit dieser vielschichtigen Schmerzkrankheit befassen und in der Lage sind, sie richtig einzuschätzen und zu therapieren.
Oft wird über Schmerzen beim Wasserlassen, Stuhlgang oder Geschlechtsverkehr bzw. Orgasmus berichtet. Weiters können die Schmerzen auf Organe bezogen sein.
Zunächst muss eine bösartige Erkrankung ausgeschlossen werden. Ein ausführliches Erstgespräch sowie eine genaue Beschreibung der Schmerzsymptomatik unerlässlich, damit eine Diagnose gestellt werden kann. Da gerade diese Erkrankung eine physische, wie psychische und soziale Komponente beinhaltet, ist eine Betreuung in einem interdisziplinären Team entscheidend für den Therapieerfolg. Für beide Themengebiete sind Physiotherpeutinnen und Physiotherapeuten mit Schwerpunkt Beckenboden einerseits Ansprechpartner für Urologinnen und Urologen und andererseits für die Betroffenen. Vielen Patientinnen und Patienten kann durch unterschiedliche Therapieansätze geholfen werden die Symptome zu lindern oder sogar Beschwerdefreiheit zu erlangen.
AutorIn
Dr. Christopher Matitz
Facharzt für Urologie und Andrologie in der Privatklinik Maria Hilf in Klagenfurt