Betreuung von Angehörigen
Zuhause bleiben können, auch bei Pflegebedürftigkeit – ein Wunsch, der viel verändert. 2018 widmeten sich rund 900.000 Menschen in Österreich, das sind rund 10 Prozent der österreichischen Bevölkerung, der Betreuung von Angehörigen oder Bekannten.
Pflegende Angehörige sind in der Mehrheit älter als 60 Jahre und überwiegend Frauen. In der häuslichen Pflege beträgt der Anteil der Frauen rund 73 Prozent. Die Ausprägung der Unterstützung richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen der Pflegebedürftigen. Sie kann vom einfachen Erledigen der Einkäufe bis hin zur umfassenden Hilfe bei allen Alltagsaktivitäten reichen. Untersuchungen zeigen, dass sich rund 70 Prozent der pflegenden Angehörigen psychisch und physisch überlastet fühlen.
Wie kommt es so weit?
Pflegebedürftige Personen sind häufig durch ein plötzliches Ereignis wie einen Sturz, eine Krankheit oder Schmerzen nicht mehr in der Lage, den Alltag selbstständig zu gestalten. Häusliche Pflege ändert alles. Sowohl die pflegebedürftige als auch die unterstützende Person müssen sich auf die neue Situation einstellen. Mit der bisherigen Lebens- und Arbeitssituation ist die Pflege oft nur schwer vereinbar. Die pflegebedürftige Person muss sich eingestehen, dass sie Unterstützung benötigt – und diese auch zulassen. Trotz der großen Belastung nimmt nur ein geringer Teil der pflegenden Angehörigen professionelle Hilfe in Anspruch. Im körperlichen Bereich sind sie am häufigsten von Rückenschmerzen und Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich sowie in den Gelenken betroffen. Gründe, weshalb pflegende Personen keine Unterstützung oder Beratung in Anspruch nehmen, sind unter anderem die Unterschätzung der auf sie zukommenden Betreuungs- und Pflegearbeit und gleichzeitig die Selbstüberschätzung der eigenen Person. Manche empfinden die vermeintliche soziale Verpflichtung, diese Arbeit alleine schaffen zu müssen.
Bewegung ist Gesundheit
Pflegen auch Sie jemanden zuhause? Arbeiten Sie körperschonend und achten Sie auf sich. Dabei ist es umso hilfreicher, wenn Sie wissen, wie Ihr Angehöriger oder Ihre Angehörige mitarbeiten und helfen kann, um Sie zu entlasten. Häufig wird unterschätzt, wie wichtig es ist, dass auch pflegebedürftige Personen weiterhin so aktiv wie möglich sind. Nur durch aktive Bewegung kann ein Mensch die Gesundheitsund Krankheitsprozesse, Atmung, Verdauung und Schmerz steuern – und die eigenen Fähigkeiten erhalten. Fordern Sie immer wieder auf, mitzuhelfen. Nehmen Sie nur Dinge ab, die diese Person wirklich nicht selbst verrichten kann. Je weniger ein Körper bewegt wird, umso mehr „rostet“ er – und dies ist oftmals schmerzhaft. Auch mit Ihren Gesundheitsressourcen muss achtsam umgegangen werden. Denken Sie immer daran: Wenn Sie sich zu stark belasten und selbst krank werden, hilft das niemandem. Sprechen Sie mit der Person, die betreut wird, auch wenn diese scheinbar nicht mehr ansprechbar ist. Erklären Sie, was Sie tun. Achten Sie darauf, dass Ihre Angehörigen die eigene Muskulatur, auch wenn diese noch schwach ist, nutzen. Dazu ist es besser, an knöchernen Strukturen zu greifen. Nutzen Sie bei der Führung des Armes den Ellbogen, um zu halten. Dadurch bleiben die Unterarme frei für Bewegung. MH Kinaesthetics ist eine von mehreren Herangehensweisen, um Patienten und Patientinnen so zu begleiten, dass die Aktivitäten sowohl für Pflegende als auch für deren Angehörige als positiv und erleichternd erfahren werden. Holen sie sich Unterstützung bei PhysiotherapeutInnen oder Pflegekräften, um eine professionelle Beratung zu erhalten. Es gibt auch Kurse für pflegende Angehörige. Hilfe anzunehmen bedeutet nicht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Es unterstützt vielmehr die Möglichkeit, eine gute und langfristige Lösung für alle Beteiligten zu schaffen.
AutorIn
Dorothea Haslinger
Katharina Meller
Koordinatorin des fachlichen Netzwerks GUP, Mitglied des Kompetenzteams Telerehabilitation
Christine Pauli-Jagoditsch
Dipl. Gesundheits- und Krankenpflegerin, Vorstandsmitglied der Wiener MS-Gesellschaft