Bergauf und bergab
Wandern zählt zu den beliebtesten Sportarten. Die positiven Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und den Bewegungsapparat sind mehrfach nachgewiesen worden. Aber Wandern kann auch zu Schmerzen und Beschwerden am Bewegungsapparat führen.
In einer Studie gaben 47 Prozent der Befragten an, beim Bergwandern Schmerzen zu haben und 90 Prozent dieser Schmerzen im Kniebereich zu verspüren. Wie lässt sich das erklären? Die Ursachen haben mit der Schwerkraft zu tun. Je steiler das Gelände, desto mehr Kraft wird benötigt, um den Körper zu bremsen. Beim Bergaufgehen werden der große Gesäßmuskel sowie die vordere und hintere Oberschenkelmuskulatur sehr stark beansprucht. Beim Bergabgehen muss die Kraft exzentrisch – d. h. bremsend – eingesetzt werden. Das führt dazu, dass die vordere Oberschenkelmuskulatur bergab zirka doppelt so stark beansprucht wird wie beim Bergaufgehen. Je länger das Bergabgehen dauert, desto größer kann der Schmerz werden. Hinzu kommt, dass die Muskeln vom Bergaufgehen bereits ermüdet sind. Bergab entstehen beim Abbremsen zwei Belastungsspitzen: kurz nach dem Auftreten des Fußes und kurz vor dem Abheben des Fußes – am Ende der Belastungsphase. Deshalb ist auch das Bergabgehen über Stufen schonender, hier tritt die Belastungsspitze nur einmal auf. Um möglichst schonend bergab zu gehen, können Sie den Untergrund nach natürlichen Stufen absuchen, die Sie in Form von Absätzen, Steinen und Wurzeln auf dem Steig finden. Je steiler der Weg, desto mehr Belastung wirkt auch auf das Kniegelenk, insbesondere auf die Kniescheibe. Bei einer Neigung von 18 Grad ist beim Hinauf- bzw. Hinuntergehen die Belastung zwei- bis dreieinhalb Mal höher als in der Ebene. Das summiert sich. Bei jedem Schritt. Oft stundenlang.
So beugen Sie vor
Vor schmerzenden Kniegelenken können Sie sich mit einfachen Tricks schützen. Kürzere Schritte zu machen ist eine effektive Maßnahme, um die Belastung zu reduzieren. Im Zweifelsfall machen Sie also mehrere kurze Schritte als wenige lange, um Ihre Knie zu schonen. Zusätzlich reduziert Bergabgehen mit Stöcken die Spitzenbelastungen um 25 bis 30 Prozent. Der häufigste Fehler: Mit Stöcken tendieren wir dazu, unsere Schritte zu verlängern. Wer Stöcke verwendet, sollte sie dazu einsetzen, Gewicht abzufangen, ohne gleichzeitig die Schritte zu verlängern. Vermeiden Sie außerdem nach Möglichkeit steileres Gelände. Auch wenn der Weg weiter ist: Wählen Sie die flachere Route nach unten.
Zwar gibt es derzeit noch keine wissenschaftlich haltbaren Untersuchungen dazu, doch es wird vermutet, dass Hinunterlaufen weniger belastend für die Gelenke ist als langsames Gehen. Das Tempo wird genutzt und die Muskulatur muss über die Dauer weniger bremsend arbeiten. Aber Vorsicht: Dafür gibt es Spitzenbelastungen und die Bremsaktivität muss schnell eingesetzt werden. Das bedeutet, dass schlecht trainierte Geher und Geherinnen beim Laufen stürzen können.
Wie können Sie sich vorbereiten? Am wichtigsten sind funktionelle Kräftigungs- oder Stabilitätsübungen. Dafür benötigen Sie keine Geräte. Kniebeugen, Fersenheben, Stufensteigen (in allen Variationen) und Ausfallschritte eignen sich für Ihr Stabilitätstraining am besten – immer mit Betonung auch auf die Exzentrik, also auf die bremsende Aktivität. Durch die funktionellen Übungen bleibt auch die Muskellänge erhalten. Dehnungsübungen sollen nicht dazu dienen, Muskellänge zu gewinnen, sondern eine angenehme Spannung im Sinne von Entspannung herzustellen. Es ist erfreulich für alle Bergliebhaber: Die besten Ganzkörpergleichgewichtsübungen lassen sich in der Natur durchführen.
AutorIn
Karl Lochner
Koordinator des fachlichen Netzwerks Sportphysiotherapie