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physio

austria

inform

Juni 2015

Empathische Kommunikation

Die personale Präsenz und emotionale Auf-

merksamkeit hinter dem gesprochenen Wort,

wodurch sich die Einfühlung ausdrückt, sind

die Basis einer empathischen Kommunika-

tion. Diese beginnt also nicht nur mit dem

Sprechen. Das aktive Zuhören bildet einen

zentralen Punkt in der empathischen Kom-

munikation. Hierbei geht es um das »Hören«

von Nicht-Gesagtem, da Gefühle nur selten

in Worte gefasst werden. Das Entschlüsseln

und Deuten von Zwischentönen und nonver-

balen Zeichen wie Gesten, Mimik und der

Klang der Stimme spielen eine wichtige

Rolle. Die Voraussetzung dafür sind Achtung

und Akzeptanz gegenüber der Person.

Aktueller Stand der Literatur

In der aktuellen Literatur findet die Thematik

„Empathie in der Physiotherapie" nur wenig

Aufmerksamkeit. Die meisten Untersuchun-

gen beziehen sich auf das psychotherapeuti-

sche und klinische/ärztliche Umfeld. In der

Psychotherapie zeigen Untersuchungen,

dass durch empathisches Verhalten der The-

rapeutInnen die Therapieergebnisse positiv

beeinflusst werden können. Im

klinischen/ärztlichen Setting wirkt sich Em-

pathie seitens der ÄrztInnen auf Körperstruk-

turen und -funktionen, Aktivitäten und

Teilhabe, persönliche Bewältigungsressour-

cen und das Gesundheitsverhalten der Pa-

tientInnen positiv aus (Neumann et al. 2010).

Des Weiteren zeigt sich eine positive Auswir-

kung hinsichtlich Schmerz und Angst (Dib-

belt et al. 2009), Dauer und Intensität einer

Erkältung (Rakel et al. 2011), Glucosegehalt

und LDL-Cholesterin im Blut bei Diabetes-

PatientInnen (Hojat et al. 2011), krebsspezifi-

scher Lebensqualität und Depression bei

KrebspatientInnen (Neumann et al. 2007)

und der PatientInnenzufriedenheit (Pollak

et al. 2011).

Zuschauen und Hinhören

Über Einfühlungsvermögen in der Physiotherapie

Miteinander zu sprechen heißt nicht, sich

auch unbedingt zu verstehen. Das gegen-

seitige Verstehen zwischen PatientIn und

TherapeutIn spielt jedoch eine wichtige Rolle

für eine erfolgreiche zwischenmenschliche

Interaktion. Ein zentrales Element für dieses

Gelingen ist die Empathie, das Einfühlungs-

vermögen.

Das System der Spiegelneurone

Die Neurobiologie der Einfühlung kann durch

das System der Spiegelneurone erklärt wer-

den. Unter dem Begriff »Spiegelneurone«

werden jene Nervenzellen im Gehirn verstan-

den, welche einen bestimmten Vorgang, zum

Beispiel eine Handlung oder eine Empfin-

dung, steuern können, zugleich aber auch

dann aktiv werden, wenn der gleiche Vor-

gang bei einer anderen Person nur beobach-

tet wird. Diese Resonanz setzt spontan,

unwillkürlich und ohne Nachdenken ein.

Durch dieses Phänomen kann der/die Beob-

achterIn spüren, was in anderen vorgeht.

Spiegelung und Resonanz gelten in der Medi-

zin als eines der wirksamsten Mittel zur Hei-

lung, in der Psychotherapie stellen sie eine

wesentliche Basis für den therapeutischen

Prozess dar. Sowohl Empathie und Intuition,

als auch das spontane Verstehen und Ver-

trauen zwischen Menschen wären ohne

Spiegelnervenzellen nicht möglich.

Themenschwerpunkt

Faktor Mensch in der Physiotherapie

LITERATUR

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Die Bachelorarbeit von Claudia Dum am Studiengang Physiotherapie

an der FH Salzburg gewann den »Zukunftspreis des Verbandes der

freiberuflichen PhysiotherapeutInnen Salzburgs« 2014 für ihre

besonders aktuelle und innovative Thematik. Eine Literaturrecherche

über Empathie im therapeutischen Prozess.