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physio

austria

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Juni 2015

23

Der FH-Bachelorstudiengang Physiotherapie der

Zentrum für Gesundheitsberufe Tirol GmbH (fhg)

beschäftigt sich in Zusammenarbeit mit dem Insti-

tut für Psychologie der Leopold-Franzens-Universi-

tät mit den Selbst- und sozialkommunikativen

Kompetenzen von PhysiotherapeutInnen.

Die österreichische Ausbildungsverordnung subsumiert

darunter insbesondere Kommunikations-, Kritik- und

Konfliktfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Rollendistanz,

Frustrationstoleranz, Selbstbestimmungs-, Selbstreflexi-

ons-, Gestaltungs-, Mitbestimmungs- und Teamfähigkeit

sowie professionelles Selbstverständnis für die Berufs-

ausübung. Im Vergleich zu anderen Professionen wie

Pflege, Psychotherapie oder dem ärztlichen Dienst hinkt

die Physiotherapie in der empirischen Untermauerung

der Bedeutung Selbst- und sozialkommunikativer Kom-

petenzen noch hinterher.

Beruflicher Sozialisationsprozess

Mit dem Ziel, die Studierenden möglichst effektiv auf den

hohen Anspruch vorzubereiten, den die berufliche Praxis

an ihre Selbst- und sozialkommunikativen Kompetenzen

stellt, findet am FH-Bachelorstudiengang Physiotherapie

der fhg schon im ersten Ausbildungssemester ein Unter-

richtsmodul statt, in dem diesbezügliche Inhalte vermit-

telt werden. Studierende sollen sensibilisiert und in ihrem

beruflichen Sozialisationsprozess gefördert werden. In

einer ersten Untersuchung wurde in diesem Zusammen-

hang der Frage nachgegangen, ob sich bei den Studie-

renden hinsichtlich dieser Kompetenzen im Laufe des

ersten Semesters Veränderungen feststellen lassen.

Die Ergebnisse sprechen für eine früh in der Ausbildung

ansetzende Integration von Lehrinhalten zu diesen Fähig-

keiten. Es verdeutlichte sich aber der Bedarf an mehr

Informationen darüber, welche Bedeutung Selbst- und

sozialkommunikativen Kompetenzen tatsächlich in der

Ausübung der physiotherapeutischen Tätigkeit zukommt

(Peham & Monsberger 2012).

Forschungsprojekt gestartet

Ein weiterführendes längerfristiges Forschungsprojekt

wurde gestartet. In einer größer angelegten Untersu-

chung wurde versucht, das Forschungsgebiet klarer

abzugrenzen und relevante Zusammenhänge mit berufs-

bezogenen Merkmalen (z.B. psychische Belastung,

Arbeitszufriedenheit von PhysiotherapeutInnen usw.)

aufzuzeigen. Das methodische Vorgehen integrierte

qualitative und quantitative Erhebungs- und Auswer-

tungsmethoden. Es fanden psychologische Tiefeninter-

views zur Bedeutung von Selbstkompetenzen in der

physiotherapeutischen Praxis statt. Weiters wurden

Fragebögen (zu Emotionserleben und -regulation,

psychischer Belastung, Burn-Out, emotionalen Anforde-

rungen der beruflichen Tätigkeit sowie Arbeitsgestaltung

und -zufriedenheit) von den 75 TeilnehmerInnen beant-

wortet. Um den unterschiedlichen Anforderungen in je

unterschiedlichen Stadien der Berufserfahrung Rechnung

zu tragen, wurden drei Gruppen untersucht: Physiothera-

peutInnen in Ausbildung, PhysiotherapeutInnen am

Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit und berufserfahrene

PhysiotherapeutInnen. Die Datenerhebung ist mittler-

weile abgeschlossen und die Auswertung der gewonne-

nen Daten läuft.

Erste Interviewanalysen arbeiten heraus, welche Berei-

che der physiotherapeutischen Tätigkeit als positiv

bzw. als negativ wahrgenommen werden. Vorläufige

Zwischenergebnisse geben Hinweise, wonach Physio-

therapeutInnen etwa Fortschritte ihrer PatientInnen, das

Arbeiten mit motivierten Menschen und das Erleben

einer produktiven therapeutischen Beziehung in ihrer

Berufsausübung wertschätzen. Gleichzeitig haben sie

vor allem aufgrund bestimmter PatientInnenmerkmale

Schwierigkeiten in ihrer Berufstätigkeit. Es sind z.B.

psychosozial schwierige Personen mit belastenden Kran-

kengeschichten, die die TherapeutInnen an ihre Grenzen

bringen. Damit findet sich ein Phänomen wieder, das

auch die Fachliteratur als Problem der »schwierigen

PatientInnen« diskutiert. Weiter scheinen auch formale

Aspekte der Tätigkeit eine Herausforderung darzustellen.

Es lassen sich bei diesen Ergebnissen auch bereits

Unterschiede im Zusammenhang mit der praktischen

Berufserfahrung erkennen. Ein weiterer Analysestrang

beschäftigt sich aktuell mit wesentlichen Aspekten des

emotionalen Erlebens und der Emotionsregulation der

befragten PhysiotherapeutInnen in den schwierigen

Situationen ihres beruflichen Alltags. Auch hier steht

die Frage nach dem Einfluss der Berufserfahrung im

Vordergrund und sowohl in den erlebten Gefühlen als

auch in den bevorzugten Regulierungsstrategien zeich-

nen sich spannende Unterschiede zwischen Studieren-

den, BerufsanfängerInnen sowie berufserfahrenen

TherapeutInnen ab.

Mag. Sabine Monsberger, BSc

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PSYCHOLOGIE

Mag. Sabine Monsberger, BSc

TherapeutInnen sind

auch nur Menschen

Selbst- und sozialkommunikative Kompetenzen

in der Physiotherapie

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